Wer, wie, was? DDR!

Regina Stötzel über die Sesamstraße, Juso-Chef Kühnert und Besonderheiten im Kapitalismus

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus: Die »Sesamstraße« wird 50 Jahre alt. Zwar lief die berühmte Kinderserie am 10. November 1969 in den USA an. Aber schon diese Woche wurde eine Straße in New York, genauer: ein Teilstück der West 63rd Street, in »Sesame Street« umbenannt. Das ist durchaus angemessen. Schließlich beantworteten die Bewohnerinnen und Bewohner der Straße nicht nur wesentliche Fragen des Lebens - man denke an die Abhandlungen von Krümel und Lulatsch zu »Hier« und »Da« oder die von Grobi zu »Hungrig« und »Satt«. Auch lernten Kinder schon damals auf selbstverständliche Art und Weise, dass die Gesellschaft bunt und vielfältig ist - mit den Queer-Männern Ernie und Bert, dem essgestörten Krümelmonster, dem äußerst prekär lebenden Oskar und vielen anderen.

Darüber hinaus ist zumindest der deutsche Titelsong so eine Art Manifest des Journalismus mit den Zeilen: »Wer, wie, was, / wieso, weshalb, warum, / wer nicht fragt, bleibt dumm«. Darin enthalten sind sechs zentrale W-Fragen, die schon Praktikantinnen und Praktikanten neben anderen im Schlaf aufsagen können müssen. »Wer nicht fragt, bleibt dumm« ist ohnehin der Grundsatz für jede ordentliche Recherche.

Und so geht das üblicherweise: Wer hat etwas gemacht? Kevin Kühnert, der »verirrte Fantast« (Andreas Scheuer, CSU). Wie hat Kühnert es gemacht? Mit seinen »Sozialismus-Thesen« (Presse). Und was hat er gemacht? Ein »wirres Durcheinander« (Florian Herrmann, CSU). Wieso? Weil er »eine Steilvorlage« liefern will, um »die SPD in die Nähe der alten SED zu rücken« (Michael Frenzel, SPD). Weshalb? Weil er den »schleichenden Marsch in den Sozialismus« »hoffähig« machen will (Joachim Pfeiffer, CDU). Warum? Weil er die DDR zurückhaben will (logische Schlussfolgerung). Fertig ist der Beitrag. Beliebig hinzufügen lassen sich scharfsinnige Folgerungen: Kühnert hat was Illegales geraucht (Johannes Kahr, SPD); die SPD hat ein Führungsproblem (Presse); raus aus der Partei mit dem! (Michael Frenzel, SPD).

»nd.DieWoche« hält dagegen Kevin Kühnerts »Nichteinverständnis mit der Wirtschafts- und teilweise auch mit der Gesellschaftsordnung« fest. Ergänzend lesen Sie, dass Kollektivierungen und Enteignungen keineswegs nur in sozialistischen Systemen, sondern ebenso in kapitalistischen üblich sind (Seite 6) und warum der Dax (auch dank BMW) selbst dann in unermessliche Höhen steigt, wenn die Konjunktur schwächelt - möglicherweise mit bösen Folgen (Seite 3). Wieso, weshalb, warum das alles? Weil auch wir für erstrebenswert erachten: selbstbestimmtes Arbeiten (Kühnert), Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse (Kühnert), demokratische Kontrolle (Kühnert), freie Menschen (Kühnert), gutes Leben (Kühnert) und »Sunny Days« (Sesamstraße).

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