- Kommentare
- CO2-Steuer
Wer verschmutzt, der zahlt
Es ist überfällig, dass der Bund seine Finanzen reformiert, meint Susanne Schwarz. Eine CO2-Steuer wäre ein Anfang
Es ist mal wieder der Augenblick gekommen, skeptisch zu sein. Wie damals, als der Feminismus plötzlich unerwartete - und größtenteils ungewollte - Unterstützung bekam, weil Rechte Geflüchtete als Gefahr für deutsche Frauen diffamieren wollten. Diesmal machen sich konservative und neoliberale Politiker darüber Gedanken, wie es armen Menschen gehen könnte, wenn Deutschland vielleicht doch ein bisschen Klimaschutz betreibt. Und die Debatte brennt: Die CO2-Steuer und ihre möglichen Kosten machen Schlagzeilen, Politiker aller Couleur fetzen sich. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ist dafür, die Grünen sowieso, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dagegen, die LINKEN zum Teil dafür, große Teile der Klimabewegung sowie zahlreiche Umweltökonomen ebenso.
Die Debatte wird geführt, als ginge es um alles. Dabei ist eine Steuer nichts besonders Radikales. Im Idealfall tragen wir durch Steuern dazu bei, dass gesellschaftlich notwendige Güter nicht nur dann bereitstehen, wenn private Unternehmen sie als profitabel einschätzen. Das ist nicht die Revolution, aber eine gute Sache.
Eine Lenkungssteuer, wie die CO2-Steuer eine wäre, ist gewissermaßen ein Sonderfall, weil die Einnahmen für den Staat gar nicht im Vordergrund stehen. Wichtiger sind die erhofften Auswirkungen auf das Verhalten der Bürger. Was teurer wird, werden die Leute weniger machen wollen, ist die Hoffnung.
Natürlich können Steuern ungerecht konzipiert sein. Sie können die Armen stärker belasten als die Reichen oder - selbst wenn das nicht der Fall ist - für manche Menschen schlicht zu hoch sein. Aber jede noch so gute Idee kann entweder gut oder eben schlecht umgesetzt werden. Eine CO2-Steuer muss Menschen mit wenig Geld nicht belasten, um Treibhausgase einzusparen. Die Frage ist doch: Wer zahlt - und was passiert mit dem Geld? Der Staat könnte die Einnahmen aus der Steuer sinnvoll nutzen und damit arme Menschen sogar entlasten.
Denkbar wäre beispielsweise, dass das eingenommene Geld wieder an die Bürger ausgeschüttet wird - und zwar pauschal pro Kopf. Für die Vielflieger, SUV-Fahrer und Steak-Esser dürfte sich das nicht lohnen - sie würden mehr zahlen, als sie zurückbekommen. Wer sich meist klimafreundlich verhält, könnte dabei sogar Gewinn machen. Zu dieser Gruppe würden vor allem die gehören, die ihr Geld selten für klimaschädlichen Luxus ausgeben (können).
Einzelnen Menschen wäre mit so einem Modell wohl trotzdem nicht geholfen. Wie sieht es beispielsweise bei jemandem aus, der auf dem Land wohnt und dort auf ein Auto angewiesen ist? Wo Bahnstrecken und Busrouten fehlen - teilweise auch nicht sinnvoll sind -, kann man nicht auf eine Lenkungswirkung durch eine CO2-Steuer hoffen. Dort wird das Leben dadurch nur teurer.
Auch solche Ungerechtigkeit ließe sich vermeiden. Zum Beispiel könnte ein Teil der Einnahmen aus der Steuer für den Ausgleich solcher Härtefälle einbehalten werden, also nicht direkt in eine pauschale Rückzahlung fließen. Denkbar wäre auch, dass die Einnahmen statt nur an Privatpersonen zu gehen, in klimafreundliche Projekte gesteckt werden, die allen zugutekommen. In den Ausbau des öffentlichen Verkehrs zum Beispiel. Oder in die Subventionierung von Bahntickets, denn auch die würden erst einmal teurer werden, wenn CO2 besteuert wird. Schließlich fährt die Bahn noch hauptsächlich mit klimaschädlichem Kohlestrom. Anders als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren haben strombetriebene Züge aber das Potenzial, komplett ohne CO2-Emissionen unterwegs zu sein.
Statt einer pauschalen Ausschüttung der Einnahmen könnte der Staat sich überlegen, andere Steuern und Abgaben im Gegenzug abzuschaffen. Die Stromsteuer zum Beispiel. Oder die EEG-Umlage, von der die größten Stromverbraucher ohnehin befreit sind, was den Strompreis für private Haushalte in die Höhe treibt. Dieses Modell hat Schweden gewählt, wo es seit fast 30 Jahren eine CO2-Steuer gibt. Mittlerweile liegt der Preis für eine Tonne Kohlendioxid dort bei umgerechnet 115 Euro - so hoch wie nirgendwo anders auf der Welt. Eine große Protestwelle blieb bei der Einführung 1991 aber aus, weil gleichzeitig mehrere unbeliebte Steuern abgeschafft wurden.
Es ist überfällig, dass Deutschland seine Finanzen umstellt. Dazu gehört nicht nur die Einführung einer CO2-Steuer, sondern auch die Abschaffung von Subventionen für die fossile Industrie. Letztendlich geht es um die Durchsetzung des Verursacherprinzips: Wer verschmutzt, der zahlt.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.