• Berlin
  • »Kriminalitätsbelastete Orte«

Gutachten kritisiert Polizeigesetz

Juristen bezweifeln die Verfassungsmäßigkeit anlassloser Kontrollen an »kriminalitätsbelasteten Orten«

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer sich am Kottbusser Tor, am Alexanderplatz, im Görlitzer Park oder einem anderen der zehn »kriminalitätsbelasteten Orten« Berlins aufhält, könnte am Ende ohne eigenes Verschulden in einer polizeilichen Kontrolle landen. So sieht es zumindest Paragraf 21 des Berliner Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) vor. Demnach darf die Polizei an Orten, von denen sie annimmt, dass dort Personen Straftaten begehen oder gegen »aufenthaltsrechtliche Vorschriften« verstoßen, ohne Tatverdacht oder Anlass Personenkontrollen durchführen. Laut einem neuen Rechtsgutachten, das am Montag der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, stellt dies jedoch eine »nicht zu rechtfertigende Diskriminierung aufgrund der Rasse dar«. Auch wenn die polizeiliche Norm neutral gefasst sei, seien die von Kontrollen Betroffenen typischerweise und ganz überwiegend nicht-weiße Personen, so das Gutachten.

Besonders problematisch sei dabei die Anknüpfung an den Aufenthaltsstatus und damit an die Staatsangehörigkeit, findet Cengiz Barskanmaz, der das Gutachten gemeinsam mit der Rechtsanwältin Maren Burckhardt erstellt hat. »Das heißt, man müsste am ›ausländischen Aussehen‹ anknüpfen, also an äußerlichen Merkmalen und das widerspricht dem Diskriminierungsverbot.« Der Rechtswissenschaftler vom Max-Planck-Institut bezweifelt daher, dass anlasslose polizeiliche Kontrollen an sogenannten gefährlichen Orten legitim sind, geschweige denn verhältnismäßig oder überhaupt geeignet. Auch mit europarechtlichen Vorgaben, laut denen es keine Ungleichbehandlung zwischen Unionsbürger*innen und deutschen Staatsangehörigen geben darf, seien die Kontrollen nicht vereinbar, so Barskanmaz.

Die anlasslose polizeiliche Kontrolle wegen äußerlichen Merkmalen wie der Hautfarbe, genannt Racial Profiling, ist jedoch nicht der einzige Grund, warum die Autor*innen des Gutachtens »ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit« von Paragraf 21 des Berliner Polizeigesetzes äußern. Ein weiterer Punkt ist laut Burkhardt die Intransparenz der Ausweisung eines Ortes als kriminalitätsbelastet. »Es ist völlig unklar, wer und in welcher Form die Befugnis hat, die gefährlichen Orte auszuweisen«, kritisiert die Juristin. Der Gesetzgeber habe jedoch ein Mindestmaß an Transparenz und Vorhersehbarkeit zu gewährleisten. Ein verwaltungsinterner Vorgang, der einer gerichtlichen Kontrolle und damit einer Überprüfung durch Betroffene entzogen ist, widerspreche dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, so Burkhardt.

In Auftrag gegeben hat das Gutachten die Kampagne »Ban! Racial Profiling. Gefährliche Orte abschaffen«. Biplab Basu von der daran beteiligten Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP), berät viele Menschen, vor allem Jugendliche, die immer wieder aufgrund ihrer Hautfarbe kontrolliert würden. Das Rechtsgutachten solle der Berliner Landesregierung als Argumentation dienen, die Rechtmäßigkeit der anlasslosen Kontrollen an »gefährlichen Orten« zu prüfen und zurückzunehmen. Eine Änderung des Polizeigesetzes würde zwar Racial Profiling nicht abschaffen, aber diesem zumindest die rechtliche Grundlage entziehen, hofft Basu: »Dadurch könnte den Betroffenen der Klageweg eröffnet werden.«

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