US-Jury verurteilt Bayer zu zwei Milliarden Dollar Schadenersatz

Gericht spricht an Krebs erkrankten Paar Entschädigung zu / Unternehmen will Entscheidung anfechten

  • Lesedauer: 4 Min.

San Francisco. Das Bayer-Tochterunternehmen Monsanto muss einem an Krebs erkrankten Paar mehr als zwei Milliarden Dollar Schadenersatz zahlen. Das entschied nach Angaben der Anwälte der Kläger am Montag eine Jury im US-Bundesstaat Kalifornien. Die beiden hatten das Unternehmen verklagt, weil sie dessen Unkrautvernichtungsmittel Roundup für ihre Krebserkrankungen verantwortlich machen. Bayer will die Entscheidung anfechten.

Die Anwälte der Kläger sprachen von einem »historischen« Strafmaß. Zusätzlich zu der verhängten Schadenersatzzahlung von zwei Milliarden Dollar (1,78 Milliarden Euro) würden 55 Millionen Dollar (49 Millionen Euro) an weiteren Entschädigungszahlungen fällig, sagte Rechtsanwalt Brent Wisner.

Die Jury habe firmeninterne Dokumente einsehen können, aus denen hervorgehe, dass Monsanto »niemals irgendein Interesse daran hatte, herauszufinden, ob Roundup sicher ist«. Anstatt in »korrekte Wissenschaft« zu investieren, habe das Unternehmen sein Geld in Angriffe auf die Wissenschaft gesteckt, die »ihren Businessplan bedrohte«, sagte Wisner weiter.

Bayer teilte mit, es sei von der Entscheidung der Jury »enttäuscht« und werde dagegen Rechtsmittel einlegen. Um zu dem Schluss zu kommen, dass das Mittel tatsächlich an den Krebsdiagnosen des Paares schuld ist, hätte die Jury nach Meinung des Unternehmens feststellen müssen, dass die Krebserkrankungen der Kläger ohne den Einsatz von Roundup nicht eingetreten wären. Dafür gebe es aber »keine verlässlichen wissenschaftlichen Nachweise«, erklärte Bayer. Vielmehr bestehe ein weltweiter Konsens unter Gesundheitsbehörden, wonach Produkte auf Glyphosatbasis sicher verwendet werden könnten.

Monsanto war zuvor bereits in zwei Prozessen zu dutzenden Millionen Euro Schadenersatz verurteilt worden. Bayer hatte Monsanto im vergangenen Jahr für rund 56 Milliarden Euro gekauft und steht deshalb massiv unter Druck. In den USA klagen tausende Krebskranke wegen des glyphosathaltigen Unkrautvernichtungsmittels Roundup gegen den Chemiekonzern. Bayer spricht von 13.000 Roundup-Prozessen in den Vereinigten Staaten, bestreitet aber die Vorwürfe, das Mittel verursache Krebs.

Wissenschaftliche Belege widersprüchlich

In der Forschung ist die Frage, ob Glyphosat eine krebsauslösende Wirkung hat, umstritten. Die US-Umweltbehörde EPA und auch die Aufsichtsbehörden in der EU und Deutschland gelangten zu dem Schluss, dass von Glyphosat keine Krebsgefahr ausgeht. Dagegen konstatierte die zur Weltgesundheitsorganisation WHO gehörende Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) 2015, dass Glyphosat »wahrscheinlich krebserregend bei Menschen« sei.

Bayer verwies in seiner Stellungnahme auf die Einschätzung der EPA, zu der das Jury-Urteil »in direktem Widerspruch« stehe. Roundup werde »seit mehr als 40 Jahren weltweit sicher und erfolgreich verwendet«, erklärte das Unternehmen weiter.

Auch wenn Bayer sich bislang beharrlich dagegen sträubt, dürften Verhandlungen über einen Vergleich mit US-Klägern durch die dritte Niederlage im dritten Prozess wahrscheinlicher werden. US-Richter Vince Chhabria, bei dessen Bundesbezirksgericht in San Francisco mehrere Hundert Klagen von Landwirten, Gärtnern und Verbrauchern gebündelt sind, drängte bereits im April auf eine gütliche Einigung der Streitparteien. Sollten die beiden Seiten keine einvernehmliche Lösung finden, werde ein Mediator gerichtlich bestellt.

Offiziell geht Bayer davon aus, dass das Geschworenen-Urteil aus Oakland keinen Einfluss auf weitere Verfahren hat. Es werde einige Zeit dauern, bis der gesamte Verfahrenskomplex abgeschlossen sei, hieß es. Bislang habe noch kein Fall die Berufung durchlaufen, bei der wichtige rechtlich relevante Entscheidungen der Verfahren bewertet würden.

Bayer führte geheime Liste

Das aktuelle Urteil fiel kurz nachdem Bayer sich für eine geheime Liste entschuldigt hatte, auf der Monsanto die Namen und weitere persönliche Angaben von Kritikern des Unternehmens festgehalten hatte. »Nach einer ersten Analyse verstehen wir, dass ein solches Projekt Bedenken und Kritik ausgelöst hat«, erklärte Bayer am Sonntag in Leverkusen.

PR-Agenturen sollen nach einem Bericht des französischen Senders France 2 vom Donnerstag ab 2016 eine Liste mit Kritikern in Frankreich im Auftrag des US-Konzerns geführt haben. Darin waren laut dem Bericht zuletzt rund 200 Namen aufgeführt - mit Noten von 0 bis 5, je nach Einfluss und Grad der Unterstützung für Monsanto.

Die Politiker, Wissenschaftler oder Journalisten wurden mit Privatadresse, Telefonnummer und sogar ihren Hobbys gelistet. Monsanto wollte die Kritiker demnach »erziehen« und besonders hartnäckige Gegner sogar »überwachen«. Bayer betonte, keine Kenntnis davon gehabt zu haben. Agenturen/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.