Monsanto spioniert seit Jahren in Frankreich

Bayer-Angestellter kann nicht ausschließen, dass entsprechende Kritiker-Listen auch europaweit angelegt wurden

  • Ralf Klingsieck
  • Lesedauer: 3 Min.

Die US-amerikanische Agrarchemiefirma Monsanto spioniert seit Jahren in Frankreich Kritiker ihres umstrittenen Schädlingsbekämpfungsmittels Glyphosat aus und sammelt illegal Informationen über sie. Das haben der öffentlich-rechtliche Fernsehsender France 2 und die Zeitung »Le Monde« nach monatelangen Recherchen Ende vergangener Woche enthüllt. Dabei wurden umfangreiche Ausdrucke illegaler Dateien mit Daten, Fakten und Informationen vorgelegt, die von den Lobby-Agenturen Publicis Consultants und FleishmanHillard im Auftrag von Monsanto zusammengetragen und digital erfasst wurden.

In den Dateien sind mehr als 200 Regierungspolitiker und Abgeordnete, Wissenschaftler und Journalisten mit ihren persönlichen Angaben verzeichnet, aber auch mit ihren Hobbys und Neigungen, und vor allem mit ihren Meinungen, Äußerungen und Veröffentlichungen zu Glyphosat, zu anderen wahrscheinlich krebserregenden Chemikalien oder zum genauso umstrittenen Thema Genmanipulation von Agrarprodukten.

Die gelisteten und ausspionierten Personen wurden je nach Einfluss und Haltung zu Glyphosat und Monsanto in verschiedene Kategorien eingeteilt. Das reicht von »Alliierter« oder »potenzieller, noch zu rekrutierender Alliierter« über »schwankend und beeinflussbar« bis »feindlich, ist zu überwachen«. Bei einigen stehen ergänzende Bemerkungen wie »kann als Verbreiter genutzt werden, will aber nicht mit Monsanto in Verbindung gebracht werden, um nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren«.

Kritiker fordern Glyphosatverbot

Dieser neue Skandal hat große Empörung ausgelöst, zumal vor Monaten von der Regierung nach erbitterten öffentlichen Auseinandersetzungen ein Verbot von Glyphosat frühestens in drei Jahren in Aussicht gestellt wurde und man bis dahin weitere Studien abwarten will. Das halten die Monsanto-Kritiker für inkonsequent und verweisen darauf, dass man sich in der Vergangenheit vor allem auf die Ergebnisse von Studien stützte, die von Monsanto in Auftrag gegeben wurden und meist entsprechend wohlwollend ausfielen. Von anderen, bisher als neutral eingeschätzten Wissenschaftlern weiß man nach den jetzigen Veröffentlichungen, dass Monsanto auch sie längst korrumpiert hat.

Offensichtlich diente die Erfassung und Auflistung als Grundlage für die aktive »Bearbeitung« von Personen mit Einfluss. So sei beispielsweise die seinerzeitige Umweltministerin Ségolène Royal »zu isolieren«. Andere Personen mit Einfluss auf die Regierung oder die Öffentlichkeit seien für die »Argumente« von Monsanto zu gewinnen und Parlamentarier sollten fertig vorformulierte Gesetzesänderungen einbringen.

Die Regierung hat das Vorgehen des Chemieunternehmens scharf verurteilt. Die Pariser Staatsanwaltschaft leitete bereits ein Ermittlungsverfahren ein. Gesetzlich ist vorgeschrieben, dass jede in Dateien erfasste Person Einblick in die erfassten Daten bekommen muss sowie das Recht hat, Änderungen oder Streichung zu verlangen. Einige der auf der Liste Genannten haben bereits wegen der Verletzung ihrer Privatsphäre Anzeige erstattet.

Bayer entschuldigt sich für Vergehen

Der deutsche Chemiekonzern Bayer, der 2018 Monsanto für 63 Milliarden Dollar gekauft hatte und dessen Aktie zuletzt stark an Wert verlor, wollte zunächst von den Machenschaften nichts gewusst haben. Inzwischen hat sich die Bayer-Direktion aber für das »Verhalten von Monsanto« öffentlich entschuldigt. Matthias Berninger, der bei Bayer seit dem 1. Januar für Öffentlichkeit und Nachhaltigkeit zuständig ist, hatte es in einer Telefonkonferenz mit Journalisten für wahrscheinlich gehalten, dass entsprechende Listen auch in anderen europäischen Ländern angelegt wurden. Der Vertrag mit der Kommunikationsagentur sei europaweit abgeschlossen worden. Der frühere Grünen-Politiker soll nun bei Bayer die interne Aufklärung vorantreiben.

Einige der in Frankreich erfassten Personen, die von Monsanto positiv eingestuft wurden, sind jetzt in einer peinlichen Situation. Von Fernsehreportern mit den Dateien konfrontiert, sollte etwa Senator Jean Bizet von der rechtsbürgerlichen Partei der Republikaner erklären, wie er zu seiner wiederholt in Parlamentsdebatten und Interviews vorgebrachten Behauptung komme, dass Glyphosat nicht stärker krebserregend sei als Kaffee oder geräucherter Aufschnitt aus dem nächsten Supermarkt. Exakt so steht es in den von Monsanto vorgegebenen »Argumentationshilfen«.

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