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Weiblicher Wagemut
Mit wenig Überraschungen im Kader, aber einer kühnen Kampagne fahren die deutschen Fußballerinnen zur WM
Bei den Frauen ist es selbst für Nationalspielerinnen immer noch nicht so einfach, den Fokus allein auf die schönste Nebensache der Welt zu richten. »Lena Oberdorf geht noch zur Schule, Klara Bühl hat gerade ihr Abitur gemacht und Johanna Elsig ihre Masterarbeit geschrieben«, erklärte Martina Voss-Tecklenburg im höchsten Bankentower Frankfurts. Dort stellte die Bundestrainerin am Dienstag ihren Kader für die Fußballweltmeisterschaft in Frankreich vor.
Die erst 17-jährige Oberdorf von der SGS Essen, deren Geburtsdatum aus Datenschutzgründen kurioserweise in offiziellen Kaderlisten verschwiegen werden muss, soll wie die 18-jährige Bühl vom SC Freiburg und deren 19-jährige Klubkollegin Giulia Gwinn eine Prise Unbekümmertheit in das deutsche Nationalteam tragen. »Wir wollen ja in den nächsten Jahren noch einige Turniere spielen«, sagte Voss-Tecklenburg, die ansonsten »nach einem langen Prozess« des Auswählens und Abwägens auf allzu viele Experimente verzichtete.
Wenn es bei der WM mit den Gruppenspielen am 8. Juni gegen China, vier Tage später gegen Spanien und am 17. Juni gegen Südafrika ernst wird, müssen vor allem die Erfahrenen funktionieren: so wie Spielmacherin Dzsenifer Marozsan, die wie Carolin Simon am Sonnabend mit Olympique Lyon das Finale der Champions League gegen den FC Barcelona bestreitet. Auch auf Spielerinnen wie Sara Däbritz und Melanie Leupolz vom FC Bayern oder Alexandra Popp und Svenja Huth, die nächste Saison gemeinsam in Wolfsburg am Ball sind, wird es ankommen.
Um eine VfL-Vereinskollegin wird allerdings noch gebangt: Bei Almuth Schult, die mit Patzern im Länderspiel gegen Japan (2:2) und bemerkenswerter Kritik an der zu geringen Wertschätzung der Frauen durch den DFB für Aufsehen sorgte, hängt wegen einer Schulterverletzung die WM-Teilnahme am seidenen Faden. »Almuth hat schon länger Probleme und sich im Training noch mal verletzt«, sagte Voss-Tecklenburg und stellte klar, dass die 28 Jahre alte Torfrau nur mit nach Frankreich fährt, »wenn sie zu hundert Prozent performen kann«. Als nächstes sollen im Trainingslager in Grassau vom 24. bis 31. Mai nähere Untersuchungen folgen. Erste Vertreterin wäre Merle Frohms vom SC Freiburg, die allerdings erst vier Länderspiele bestritten hat.
Am meisten Überraschung steckte in einem Fernsehspot, der am Tag der Kaderbekanntgabe bereits kurz vor der ARD-Tagesschau zur Ausstrahlung kam. Vorurteile und Vorbehalte nimmt die Kampagne mit viel Selbstironie auf - das einst zum EM-Gewinn vor 30 Jahren überreichte Kaffeeservice kommt darin ebenso vor, wie die Tatsache, dass viele der aktuellen Nationalspielerinnen einer größeren Öffentlichkeit unbekannt sind. »Wir spielen für eine Nation, die unsere Namen nicht kennt«, heißt es da. Noch provokanter ist der Spruch, der in den sozialen Netzwerken schon unmittelbar mit der Freischaltung aufgeregte Debatten anstieß: »Wir brauchen keine Eier - wir haben Pferdeschwänze.« Mit so viel weiblichem Wagemut hat sich die DFB-Auswahl noch nie auf die Schippe genommen. Zur Heim-WM 2011 wurden die Titelansprüche noch mit der Botschaft »Dritte Plätze sind nur was für Männer« plakatiert, was den deutschen Fußballerinnen nach dem Viertelfinalaus prompt auf die Füße fiel.
Die neue Bundestrainerin wiederholte ihre Ansage, mit keiner klaren Zielvorgabe in die WM zu gehen, deren Spielplan sie in der Gruppenphase nach Rennes in der Bretagne, Valenciennes nahe der belgischen Grenze und Montpellier tief im Süden führt: »Wir möchten uns für Olympia qualifizieren, wofür wir zu den besten drei europäischen Teams gehören müssen.« Aus Sicht der 51-Jährigen müsse dafür mindestens das Viertelfinale, vielleicht sogar das Halbfinale erreicht werden
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