Kurz will sich von Innenminister Kickl trennen

Bundeskanzler schlägt Präsident van der Bellen Entlassung vor / Auch die SPÖ will Koalition mit FPÖ im Burgenland beenden

  • Lesedauer: 3 Min.

Wien. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will sich in der schweren Regierungskrise von seinem umstrittenen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) trennen. Er werde dem Bundespräsidenten die Entlassung vorschlagen, sagte der 32-Jährige am Montagabend in Wien. Nach dem Skandal-Video von Ibiza brauche es nun »vollständige Transparenz« und »lückenlose Aufklärung«. Aus Sicht von Kurz wäre es in dieser Situation schlüssig gewesen, wenn Kickl von seinem Amt zurückgetreten wäre. Seinen jetzigen Schritt habe er mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen abgesprochen. Offiziell kann in Östrerreich nur der Bundespräsident einen Minister entlassen.

Vize-Kanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache war im Juli 2017, wenige Monate vor den Nationalratswahlen, heimlich bei einem Treffen mit der angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen gefilmt worden. Dabei hat er der Frau im Gegenzug für Wahlkampfhilfe zugunsten der FPÖ Vorteile in Aussicht gestellt, darunter die Vergabe öffentlicher Aufträge an ihre Firmen. Als Konsequenz trat Strache am Samstag zurück. Kurz verkündete wenig später das Ende der Koalition, die nur 18 Monate regierte. Im September soll es Neuwahlen geben.

Ibiza-Affäre könnte Rechtspopulisten bei EU-Wahl schaden

Die Affäre wird nach Überzeugung von Experten den Rechtspopulisten bei der Europawahl schaden. »Die Wähler werden sich jetzt zweimal überlegen, ob sie solchen Leuten ihre Stimme geben«, sagte der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt dem Berliner »Tagesspiegel«. Dies werde auch Konsequenzen für die AfD in Deutschland haben. Nach Ansicht des Chefs der Forschungsgruppe Wahlen, Matthias Jung, könnte der Strache-Skandal den Vormarsch der Rechtspopulisten in Europa bremsen. Dadurch würden bürgerliche Wähler in ihrer antipopulistischen Haltung gestärkt und eher zur Wahl gehen, sagte er ebenfalls dem »Tagesspiegel«. Der Politologe Frank Decker dagegen erwartet keine Wirkung auf das AFD-Ergebnis.

Unterdessen schließt Kanzler Kurz (ÖVP) nicht aus, dass sich Strache durch dessen Äußerungen in dem Skandal-Video strafbar gemacht haben könnte. »Die Ermittlungen werden zeigen, was jetzt passiert«, sagte Kurz der »Bild«. »Aber, was er in diesem Video sonst sagt, ist ein großer Skandal, bedeutet das Ende von seiner politischen Tätigkeit und vermutlich auch strafrechtliche Konsequenzen«, so Kurz weiter.

Norbert Hofer wird neuer FPÖ-Parteichef

Die FPÖ hat Verkehrsminister Norbert Hofer am Sonntagabend in der Sitzung des FPÖ-Bundesparteipräsidiums einstimmig zum neuen Parteichef bestimmt. Bei der nächsten Sitzung des Bundesparteivorstandes, die nach der Europawahl stattfinden wird, solle diese Entscheidung formal bestätigt werden. FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus gab unterdessen seinen Austritt aus der FPÖ bekannt - »mit sofortiger Wirkung«, wie er mitteilte. Ebenso werde er sein Nationalratsmandat niederlegen. Gudenus hatte in dem Video gedolmetscht.

Wie die ÖVP auf bundespolitischer Ebene geht die sozialdemokratische SPÖ auf landes- und kommunalpolitischer Ebene auf Distanz zur FPÖ. Die einzige SPÖ-FPÖ-Koalition auf Landesebene soll nach Angaben von Burgenlands Ministerpräsident Hans Peter Doskozil (SPÖ) vorzeitig beendet werden. In Linz, Österreichs zweitgrößter Stadt, werde es vorzeitige Neuwahlen geben, kündigte SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner im Fernsehen an. In der dortigen Proporzregierung stellt die SPÖ den Bürgermeister, aber die FPÖ hat ein maßgebliches Gewicht. dpa/nd

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