Keulen-Mammut pokert am strategischen Schachbrett

Wolffs Müllabfuhr knöpft sich dieses Mal Josef Joffe vor, den Herausgeber der »Zeit«

  • Tim Wolff
  • Lesedauer: 3 Min.

Vielleicht ist es an der Zeit, hier auch mal etwas Nettes zu schreiben, sich zu bedanken. Zum Beispiel bei Josef Joffe.

Ich war ein etwas eigenes Kind, ich lief in der Grundschule mit der »FAZ« unter dem Arm herum. Ich las sie natürlich nicht, aber ich war beeindruckt von den Buchstabenmassen. Ich empfand für alles Gedruckte Respekt. Es liegt Erhabenheit im in der Zeit seiner Entstehung gefrorenen Wort; es ist mit allen Vorzügen und Fehlern erhalten, kann nicht - wie im reißenden Fluss des Digitalen - nachträglich verändert werden. Wer so etwas herausgeben darf, der musste - so dachte ich - ein schlauer Kopf, ein Kenner seiner Werkzeuge sein. Solch hohle Andacht ist aber nicht die beste Voraussetzung, um Satiriker oder Polemiker sein zu können. Und so war ich in meinen ersten »Titanic«-Tagen zutiefst dankbar um Josef Joffe. Was der Herausgeber der »Zeit« wöchentlich an Bild- und Logikbrüchen in seiner »Zeitgeist«-Kolumne verbricht, das war heilsam für meine berufshinderliche Ehrfurcht.

Noch heute freue ich mich, wenn Joffe, wie am Donnerstag, auch noch einen Leitartikel verfasst. Der Inhalt ist mir dabei egal - es geht ohnehin stets um die USA im Vergleich zur zaudernden BRD, politische Korrektheit und Kindergartenweisheiten des Liberalismus -, doch bin ich sofort in freudige Erwartung versetzt, welche schiefen Metaphern und Vergleiche er diesmal wieder raushaut.

»Ein damals weit verbreitetes Bildchen zeigte Wilhelm II. und den Kronprinzen mit der Inschrift ›Viel Feind, viel Ehr‹. Heute könnten an ihrer Stelle Donald Trump und Schwiegersohn Jared Kushner auf Instagram lächeln: ›Many foes, much Honor.‹.« Schon dieser Texteinstieg, ein Hochgenuss des Joffe’schen Rhabarberns! Selbstredend liefert er keinen größeren Beleg für diese geschickt Instagram erwähnende Gleichsetzung, als dass Trump sich mit vielen Mächten anlegt - was historisch gesehen nun wirklich nur noch dem deutschen Trottelkaiser passiert ist. Belege hat Joffe gar nicht nötig, denn er kann eine noch bessere Formulierung gleichen Inhalts nachlegen: »Heute gibt The Donald den Wilhelm Zwo - zum ersten Mal in der amerikanischen Geschichte.«

Dann kommt noch Bismarck dazu und mit ihm ein Schachbrett, an das Joffe anschließt: »Bismarck-Verächter Trump wähnt, dass er ganz allein die meisten Chips und besten Karten hat.« Das ist so deppert doppelt am Schachspiel vorbei, dass man fast übersieht, wie herrlich doof die Behauptung »Bismarck-Verächter Trump« ist - die ja nur existiert, damit Joffe sein Schulgeschichtswissen ins Textschach würfeln kann. Weiter geht es mit einem »eingezogenen Schwanz«, dann kommen Götter, die nicht »wissen, wo und wann die Spirale der Eskalation endet« - die Spirale der Eskalation, super! - , dann ein nun »strategisches Schachbrett«, auf dem »es nicht besser aussieht«, weil Kim Kong Un »in diesem Poker« nicht »gepasst« hat - was überraschend schlüssig ist, weil: Wie gut kann es auf einem Schachbrett aussehen, wenn darauf gepokert wird?

Später blufft Trump, dann wird er nicht therapiert, wähnt sich im Besitz kosmischer Macht, die er gemäß dem Motto »Meine Keule ist größer als deine« verteidigt, worüber er zum »wild gewordenen Mammut« wird. Und ich bin über all das so glückselig, dass ich gar nicht würdigen kann, wie Joffe ein paar Seiten weiter in seiner Kolumne fast das Gleiche noch mal als »neuen Film« durchspielt und den Spitzensatz raushaut: »›Friedenspolitik‹ (Willy Brandt) ist nun Teil der deutschen DNA.« Denn Dankbarkeit für diesen Mann ist längst Teil meiner.

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