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Drei Kreuze vom Amt
Anzeige wegen Verdacht auf Wahlfälschung in Meißen
Der Bauunternehmer Heiko Weder ist einer von zehn Kandidaten der AfD für den Stadtrat in Meißen. Womöglich hat er in der Verwaltung der sächsischen Stadt einen Anhänger. Diesen Schluss legt ein Vorfall nahe, der im Freistaat kurz vor der Wahl am Sonntag bekannt wurde und in zwei Strafanzeigen wegen versuchter Wahlfälschung mündete. Denn auf einem der Briefwahlscheine, die einem Meißner Ehepaar zugesandt wurden, waren die zulässigen drei Kreuze bereits gesetzt - hinter dem Namen von Weder, der auf dem Wahlschein auf Position 7 der AfD-Kandidaten geführt wird.
Wie mehrere Medien berichten, informierte die Empfängerin des ausgefüllten Wahlscheins den LINKE-Stadtrat Andreas Graff und setzte in dessen Beisein eine eidesstattliche Erklärung auf. Graff erstattete danach eine der beiden Strafanzeigen; die andere kommt von Markus Banowski, dem Vorsitzenden des Gemeindewahlausschusses. Das Rathaus erklärte, man sei durch die Ermittlungsbehörden davon in Kenntnis gesetzt worden, dass in der Stadt ein »vorangekreuzter Stimmzettel« verschickt worden sei. Diesen hätten die Ermittler als Beweisstück sichergestellt. Die Verwaltung versicherte, man werde alles dafür tun, diese bei der Aufklärung des Vorfalls zu unterstützen. Bisher, so wird angefügt, lägen aber »keine Erkenntnisse vor, die eine Absage der Wahl nach sich ziehen könnten«. Das sächsische Innenministerium als Aufsichtsbehörde hat dem MDR zufolge eine Stellungnahme bei der Stadt angefordert.
Womöglich handelt es sich bei dem Vorfall um eine Panne - ähnlich wie er diese Woche aus Glashütte bekannt wurde. In dem Ort im Osterzgebirge räumte die Stadtverwaltung selbst ein, dass ein ausgefüllter Wahlschein verschickt wurde. Auf diesem waren sechs Kreuze bei CDU und AfD gesetzt worden - um, wie es hieß, die Papierqualität zu testen. Der Stimmzettel sei »zur Vernichtung vorgesehen« gewesen, versehentlich aber doch ausgereicht worden. Der betroffene Wähler habe neue Wahlunterlagen erhalten. Der Wahlschein wäre, so wurde betont, wegen der zu hohen Zahl an Kreuzen ohnehin ungültig gewesen - anders als der in Meißen.
Dort ruft der aktuelle Vorfall bei manchem Bürger Erinnerungen an die Wahl zum Oberbürgermeister im September 2018 wach. Bei der Wahl hatte der von der CDU unterstützte parteilose Amtsinhaber Olaf Raschke im zweiten Wahlgang den von einem Mitte-Links-Bündnis getragenen und in der ersten Runde siegreichen Ex-Bürgerrechtler Frank Richter überflügelt - jedoch mit nur 97 Stimmen Vorsprung. Kritiker hatten damals schon auf Merkwürdigkeiten bei der Briefwahl hingewiesen. Die »Dresdner Neuesten Nachrichten« zitieren Ulrich Brumm, unabhängiges Mitglied der Wahlkommission. Demnach seien nur 82 Prozent der ausgereichten Briefwahlscheine zurückgeschickt worden; die Differenz betrug 553 Scheine. Das Ergebnis bei der Briefwahl habe sich deutlich von dem der anderen Wahllokale unterschieden - und Raschke zum Sieg verholfen.
Briefwahlen sind durchaus anfällig für Manipulationen und Betrug. Das zeigte etwa eine Wahlaffäre 2014 im sachsen-anhaltischen Stendal, die noch immer einen Untersuchungsausschuss im Magdeburger Landtag beschäftigt. Ein Stadtrat der CDU, der dafür inzwischen zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, hatte mittels fingierter Vollmachten für die Briefwahl beinahe 1000 Stimmen gefälscht. Der CDU wurde vorgeworfen, den Vorfall zunächst vertuscht zu haben und ihn später als Tat eines Einzelnen darzustellen. Die Opposition im Landtag geht aber davon aus, dass es sich um ein CDU-Netzwerk handelte..
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