Kein Zutritt zum Tagebau

Die Pressesprecherin von »Ende Gelände« hat von RWE ein Hausverbot für Tagebaugruben, Kraftwerke und Schienenstränge erhalten

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 4 Min.

Klimaschutz ist das Topthema. Die Grünen sind der große Gewinner der Europawahlen. Wer radikale Klimagerechtigkeit bevorzugt, der ist beim Bündnis »Ende Gelände« richtig. Seit vier Jahren blockiert das Bündnis mehr oder weniger regelmäßig die Kohleinfrastruktur. Oft im Rheinischen Revier, gerne im Tagebau Gruben aber auch an den Gleisen der Kohlebahnen.

Eine, die bei »Ende Gelände« dabei ist, heißt Kathrin Henneberger aus Köln. Die 32-Jährige ist schon lange in der Klimagerechtigkeitsbewegung unterwegs. Vor 10 Jahren war sie dabei, als während des ersten Klimacamps in Hamburg das Kohlekraftwerk Moorburg besetzt wurde. Sie unterstützt den Kampf um den Hambacher Forst und organisiert bei »Ende Gelände« Massenaktionen mit. »So ein bisschen geht es dabei auch darum, dass im Rheinland mein Zuhause ist und ich nicht tatenlos mitansehen kann, dass die größte C02-Schleuder Europas hier steht.«

In den letzten Jahren ist Henneberger auch als Pressesprecherin von »Ende Gelände« in Erscheinung getreten. Freundlich lächelnd stand sie im vergangenen Oktober neben den Schienen der Braunkohle-Bahn, als über 1000 Aktivisten dieses besetzten und gab Medienvertretern die erklärenden O-Töne zur Aktion. »Ende Gelände« setzt auf die massenmediale Vermittlung der eigenen Aktionen und ist dabei stets professionell. In der »WAZ« beklagte sich RWE-Pressesprecher Guido Steffen vor wenigen Wochen: »Die Medien haben vornehmlich schöne, junge und eloquente Menschen aus der Besetzerszene gezeigt.« Die etwas andere Erklärung dafür, wieso RWE in der Öffentlichkeit in so schlechtem Licht stehe.

Nun hat Henneberger Post von der Großkanzlei »Redeker, Sellner, Dahs« bekommen. RWE erteilt ihr ein Hausverbot für »alle Betriebsflächen und Anlagen der RWE Power AG«. Bis zum heutigen Tag hatte sie Zeit, eine Unterlassungsverpflichtung zu unterschreiben. Henneberger hat nicht unterschrieben und sagt, »da spielt auch eine gute Portion kölscher Trotz mit.« Sie will nicht, wenn sie an der nächsten Blockade gesehen wird, eine drastische Geldstrafe bezahlen. Henneberger ist der Meinung, dass ziviler Ungehorsam weiter wichtig ist. Der Kohleausstiegsplan der Bundesregierung verfehle das 2-Grad-Ziel komplett.

RWE setzt schon länger auf das Mittel des Hausverbots und der Unterlassungserklärung. Aktivisten, die bei Blockaden festgenommen wurden, bekamen ähnliche Schreiben. Henneberger ist allerdings bei keiner Aktion im Rheinischen Braunkohlerevier festgenommen worden. Offensichtlich geht es um ihre Öffentlichkeitsarbeit für »Ende Gelände«. In dem Schreiben von RWE wird sogar eine Rede erwähnt, die sie bei der RWE-Hauptversammlung Anfang Mai gehalten hat. Henneberger warb dabei für die Blockade der Kohleinfrastruktur. Sie vermutet, dass RWE sich an der großen Resonanz stört, die die Klimagerechtigkeitsbewegung und auch »Ende Gelände« erhalten. Nun wolle man versuchen, sie mundtot zu machen.

Die RWE-Presseabteilung sieht den Vorgang ganz anders. Umweltaktivisten hätten in der Vergangenheit immer wieder »zu Aktionen gegen unser Unternehmen aufgerufen, um den Betrieb unserer Kraftwerke, Tagebaue und infrastruktureller Einrichtungen zu blockieren«, so Pressesprecher Lothar Lambertz. Man habe wiederholt und auf verschiedenen Wegen darauf hingewiesen, dass das Betreten des Firmengeländes »mit erheblichen Risiken verbunden ist und es sich hierbei zudem um Straftaten wie Hausfriedensbruch handeln kann.« Teilnehmern von Blockaden sei »offenbar nicht bewusst«, dass sich aus den Aktionen »individuelle Konsequenzen« ergeben könnten. »Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, ihnen durch die Aufforderung Gelegenheit zu geben, freiwillig eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Hierdurch fordern wir, sich unseren Betriebsstätten künftig fern zu halten«, erklärt Lambertz. Henneberg habe öffentlich eingestanden, »widerrechtlich in unser Betriebsgelände eingedrungen zu sein sowie weitere Blockaden angekündigt«.

Deswegen habe man sich entschlossen, auch an sie eine Unterlassungsverpflichtung zu senden. Selbstverständlich akzeptiere RWE »das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Pressefreiheit und das Demonstrationsrecht«. Man dürfe allerdings nicht das Recht in die eigene Hand nehmen oder »widerrechtliche Angriffe auf ebenso grundrechtlich geschützte Güter wie Eigentum, Besitz und Gewerbebetrieb« legitimieren.

Für Henneberg ist der Widerstand gegen RWE kein »widerrechtlicher Angriff«, sondern »legitim im Angesicht der grausamen Realität der Klimakrise im globalen Süden und dem verfeuern der Zukunft unserer Kinder.« Sie ruft dazu auf, im Juni wieder mit tausenden Menschen die Kohleinfrastruktur zu blockieren. Sie hofft, dass viele Menschen unter dem Hashtag #AlleGegenRWE an ihrer Seite stehen und der Versuch, sie mundtot zu machen, scheitert.

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