Hitze sorgt für Debatten

Die meisten Bürger wollen mehr Klimaschutz - bewegt sich nach den Europawahlen nun was?

  • Sandra Kirchner
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Zustimmung zu Umwelt- und Klimaschutz ist schon lange hoch, und sie wächst weiter. Zwei von drei Bundesbürgern schätzen den Schutz des Klimas und der Natur als wichtige Herausforderung ein. Das ist ein Ergebnis der neuen Umweltbewusstseinsstudie und bedeutet eine Steigerung um elf Prozent im Vergleich zu 2017. Die Studie wird alle zwei Jahre vom Forsa-Institut im Auftrag von Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt (UBA) durchgeführt.

Den Zustand der Umwelt halten die Befragten für schlechter als in den Vorjahren. »Nur noch 60 Prozent bewerten die Umweltqualität als gut beziehungsweise sehr gut«, sagte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger bei der Vorstellung am Dienstag in Berlin. Vor zwei Jahren waren es noch 75 Prozent. Die Studie wurde im Spätsommer 2018 mit 4000 repräsentativ ausgewählten Bürgern durchgeführt. »Der Hitzesommer des vergangenen Jahres hat die Umfrageergebnisse geprägt«, sagte Krautzberger. Den Deutschen sei die reale Bedrohung durch den Klimawandel klargeworden.

Das Engagement der Bundesregierung wird schlecht bewertet. Nur 14 Prozent der Befragten attestieren ihr ausreichenden Einsatz für den Klimaschutz, wie es auch bei den Europawahlen gerade zum Ausdruck kam. Auch der Industrie, den Kommunen und den Bürgern selbst stellen die Befragten ein schlechtes Zeugnis aus. »Durch die Umfrageergebnisse fühle ich mich bestätigt, dass Deutschland ein verbindliches Klimaschutzgesetz braucht«, sagte Umweltministerin Svenja Schulze. Klimaschutz müsse auch in die Politikbereiche Verkehr und Landwirtschaft Eingang finden.

Die SPD-Politikerin wird dabei zunehmend ungeduldig. Ohne Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt leitete die Ministerin ihren Entwurf für ein Klimaschutzgesetz am Montag an die zuständigen Ressorts zur Abstimmung weiter. Üblicherweise prüft das Kanzleramt die Gesetzentwürfe vorher. Der bereits im Frühjahr vorgelegte Entwurf verstaubt seither dort. »Ich warte seit Februar darauf, dass sich die Kollegen von der Union zu dem Vorschlag äußern«, sagte Schulze. Dass in den anderen Ressorts immer nur gesagt werde, was man nicht wolle, sei nicht länger hinzunehmen. »Ich kann nicht auf Befindlichkeiten Rücksicht nehmen - wir haben keine Zeit zu verlieren.«

In der Union stieß Schulzes Vorstoß auf Kritik. Die SPD verliere offensichtlich die Nerven angesichts ihrer Wahlergebnisse, sagte Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU).

Mit ihren Demonstrationen hatten die Schülerinnen und Schüler der Fridays-for-Future-Bewegung vor der Europawahl den öffentlichen Druck für mehr Klimaschutz erhöht. Offensichtlich mit Erfolg: Zahlen des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap bestätigen, dass für fast die Hälfte aller Deutschen Umwelt- und Klimaschutz das wichtigste Thema bei der Europawahl war. Entsprechend bestätigt fühlen sich die Grünen durch Verdopplung ihres Ergebnisses auf fast 21 Prozent. »Das sind nicht nur Stimmen für uns Grüne, das sind Stimmen für den Klimaschutz«, sagte Parteichefin Annalena Baerbock. Dagegen büßte die SPD drastisch an Stimmen ein. Auch die Union verlor deutlich in der Gunst der Wähler.

Eigentlich müssten die Ergebnisse der Europawahl ebenso wie die der jetzt vorgestellten Umweltbewusstseinsstudie eine Steilvorlage für ambitionierten Klimaschutz sein. Das wird sich schon an diesem Mittwoch zeigen, wenn das sogenannte Klimakabinett zu seiner zweiten Sitzung zusammenkommt. Dann sollen die klimapolitisch relevanten Ministerien ihre Vorschläge zur Reduktion der Treibhausgasemissionen in ihrem Zuständigkeitsbereich präsentieren. »Uns rennt die Zeit davon«, mahnte der Vorsitzende des Umweltverbandes BUND, Hubert Weiger. Viele der nötigen Maßnahmen bräuchten lange Vorlaufzeit und zögen weitreichende Investitionsentscheidungen nach sich. Die Regierung müsse jetzt handeln, um wenigstens das Klimaziel für 2030 noch erreichen zu können, nachdem es für 2020 schon gerissen wird.

Auch die Befragten der Umweltbewusstseinsstudie erwarten ein zügigeres Tempo bei der Energiewende. Vier von fünf sprachen sich für einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien aus. Landwirtschafts- und Verkehrspolitik sollten sich ebenfalls stärker am Umwelt- und Klimaschutz orientieren.

Doch wenn es um das eigene Verhalten geht, bleiben die Deutschen bequem. Das Auto bleibt das am häufigsten genutzte Verkehrsmittel. »Wir haben noch deutliche Unterschiede zwischen Bewusstsein und Verhalten«, sagte Schulze. Das verstehe sie als Auftrag zum Handeln. Die Politik müsse den Rahmen so setzen, dass klimaschädliches Verhalten teurer werde. »Wir wollen dem CO2 einen Preis geben«, kündigte die Ministerin an. Drei Forschungsinstitute erarbeiteten derzeit entsprechende Vorschläge. Das eingenommene Geld solle helfen, Einkommensschwache zu unterstützen. Wer sich hingegen ein großes, schweres Auto leisten könne, solle stärker belastet werden.

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