Champions League für kleines Geld

Skopjes Handballer bekamen nur noch sporadisch ihre Gehälter. Aus Trotz gewannen sie nun die Königsklasse

  • Eric Dobias und Björn Pazen, Köln
  • Lesedauer: 3 Min.

Nachdem Christian Dissinger mit Vardar Skopje Europas Handballthron erklommen hatte, startete der ehemalige Nationalspieler in einen ausgelassen Partymarathon. Selbst seine ungewisse sportliche Zukunft war dem 27-Jährigen im Moment des Triumphes egal. »Die nächsten drei, vier Tage wird nur gefeiert, dann werden wir weitersehen«, verkündete Dissinger im Anschluss an den 27:24-Endspielsieg gegen Telekom Veszprem euphorisch.

Beim Empfang in Nordmazedonien wurden am Montag 100 000 Menschen auf den Straßen der Hauptstadt erwartet. Für Skopje dürfte es vorerst jedoch der letzte Anlass für eine große Feier gewesen sein, denn nach dem Ausstieg des Hauptsponsors wird das mit Spielern aus zehn Nationen zusammengekaufte Team wohl zerfallen. »Auf dem bisherigen Niveau wird es nicht weitergehen«, redete Dissinger Klartext. Was aus dem deutschen Rückraumspieler wird, ist unklar. Derzeit hat er noch keinen neuen Vertrag.

Schon in den vergangenen neun Monaten hatten Dissinger & Co. ihre Gehälter unregelmäßig oder lediglich in Teilen ausbezahlt bekommen. Umso höher ist der zweite Champions-League-Triumph nach 2017 zu bewerten. »Wir sind bei Vardar nicht nur Teamkollegen, sondern 18 Brüder, die noch enger zusammengerückt sind, als die Meldung kam, dass es mit dem Verein zu Ende geht«, beschrieb Dissinger mit etwas Pathos das Geheimnis des überraschenden Erfolges.

Der markierte für den früheren Bundesligaprofi des THW Kiel das Ende einer langen Seuchenzeit. Schon 2013 war Dissinger nach der Insolvenz seines damaligen Arbeitgebers Atletico Madrid einige Monate arbeitslos. Zu der Zeit hatte ihn gerade sein zweiter Kreuzbandriss lahm gelegt. Bei TuS Lübbecke fasste er in der Bundesliga wieder Fuß und wechselte 2015 nach Kiel.

Im Jahr darauf war Dissinger ganz oben angekommen. Mit dem Nationalteam gewann er sensationell EM-Gold und dann auch noch Olympiabronze in Rio. Doch danach ging es wieder abwärts. Wegen Überbelastung verordnete er sich eine freiwillige Auszeit in der Nationalmannschaft, die - mittlerweile ungewollt - bis heute anhält.

Beim THW Kiel schmiss Dissinger im Herbst 2018 frustriert hin, weil er beim Rekordmeister kaum zum Einsatz kam. »In den vergangenen drei Jahren ist so viel schief gelaufen. Deshalb ist es genial, hier mit dem Pokal zu stehen«, beschrieb Dissinger am Sonntag seine Gefühle.

In Skopje wollte er noch einmal durchstarten. »Ich bin froh, dass Vardar mir eine neue Chance gibt«, sagte er bei seiner Verpflichtung. Doch das Verletzungspech blieb ihm treu. Anfang April erlitt Dissinger zwei Bänderrisse im Ellenbogen, erst kurz vor dem Final Four in Köln meldete er sich einsatzbereit. Nun aber droht wieder das Nichts. Ganz aufgegeben hat Dissinger die Hoffnung auf eine Zukunft bei Vardar aber noch nicht: »Vielleicht öffnet nach dem Champions-League-Sieg ja noch irgendjemand seine Schatulle.« dpa/nd

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