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Kündigung zulässig - aber man kann sich wehren
Dürfen Sparkassen und Banken ihre Kunden vorzeitig aus Altverträgen rauswerfen, die hohe Zinsen versprechen? Über diese Frage hat Mitte Mai der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden und ein Urteil gefällt, das Sparer ärgern könnte: Ja, sie dürfen! Sogar dann, wenn ein Werbeprospekt mit einer Laufzeit von einem viertel Jahrhundert warb. »Dem Vertrauen in die private Altersvorsorge erweist das Urteil einen Bärendienst«, kommentiert der »Versicherungsbote«, ein Lobbyblatt der Finanzwirtschaft.
Das beklagte Institut, die Kreissparkasse in Stendal, hatte für das »S-Prämiensparen flexibel« mit einer Werbebroschüre geworben. Darin war eine Musterrechnung enthalten, mit der die Entwicklung eines Sparguthabens über einen Zeitraum von 25 Jahren und einer monatlichen Sparrate von 150 D-Mark(!) einschließlich der jährlichen Prämienzahlungen dargestellt wurde.
In den Jahren 1996 und 2004 schlossen die Kläger mit der Sparkasse aus Sachsen-Anhalt insgesamt drei Sparverträge ab. Neben einer variablen Verzinsung des Sparguthabens sahen die Verträge erstmals nach Ablauf des dritten Sparjahres die Zahlung einer Prämie in Höhe von 3 Prozent der im abgelaufenen Sparjahr erbrachten Sparbeiträge vor. Vertragsgemäß stieg diese Prämie bis zum Ablauf des 15. Jahres auf 50 Prozent der geleisteten Sparbeiträge an.
Unter Hinweis auf das niedrige Zinsumfeld kündigte die Kreissparkasse ab 2016 die drei Sparverträge. Dagegen klagten die Kunden. Sie verloren vor dem Landgericht Stendal, in der Berufung vor dem Oberlandesgericht Naumburg und nun auch vor dem BGH. Der verweist in einer Mitteilung zum Urteil auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (besonders Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen). Danach sei eine ordentliche Kündigung möglich, wenn die höchste Prämienstufe - hier nach 15 Jahren - erreicht sei. Daran ändere selbst der Werbeflyer nichts. »Die in dem Werbeprospekt enthaltene Musterrechnung, die auf einen Zeitraum von 25 Jahren bezogen ist, stellt lediglich ein Rechenbeispiel dar, mit dem keine verbindliche Aussage zur tatsächlichen Laufzeit des Vertrages verbunden ist«, schreibt der BGH in seiner Mitteilung zum Urteil vom 14. Mai 2019, Az. XI ZR 345/18.
Stendal ist überall
Bei sogenannten Prämiensparverträgen gibt es einen variablen Zins und eine Prämie, die Jahr für Jahr steigt und deren Höhe sich oftmals an der jährlichen Sparsumme orientiert. Die Kündigung solcher Sparverträge ist seit zwei Jahren bundesweit ein Massenphänomen. Schätzungen zufolge gibt es allein in Brandenburg mindestens 50 000 solcher Verträge. »Doch immer mehr Sparkassen aus ganz Deutschland kündigen die Sparverträge mit Verweis auf die anhaltenden niedrigen Zinsen - in Brandenburg beispielsweise die Sparkasse Märkisch-Oderland«, heißt es bei der Verbraucherzentrale Brandenburg.
Doch Sparkassen entscheiden nicht losgelöst über ihre Geschäftspolitik. Ihre Verwaltungsräte bestimmen die Richtlinien und überwachen die Geschäftsführung. In den Verwaltungsräten sitzen viele Abgeordnete aus Kreis- und Landtagen. Die Verbraucherschützer fragten daher bei den Parteien in Brandenburg nach. Immerhin die Hälfte reagierte, bei der Linken nur 41 Prozent, bei den Grünen fast alle.
Die Antworten der Parteien fielen meist verbraucherfreundlich aus. So möchte sich die überwältigende Mehrheit der antwortenden Kreisverbände dafür einsetzen, dass Sparverträge nicht vorzeitig gekündigt werden. Ob die erklärten Absichten nach den Kommunalwahlen, die Ende Mai erfolgten, in politische Praxis umgesetzt werden, bleibt abzuwarten.
Können sich Prämiensparer noch anders wehren?
Immerhin hat sich der BGH in diesem Verfahren nur mit einer Vertragsvariante befasst. Daneben gibt es jedoch noch viele andere Vertragskonstellationen, die vom BGH-Urteil unberührt bleiben. »Hinsichtlich der Prämiensparverträge, in denen eine konkrete Laufzeit vereinbart ist, sind wir unverändert optimistisch«, erklärte Andrea Heyer, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen. Sie meint beispielsweise Verträge, in denen eine überlange Laufzeit hineingeschrieben wurde. In Sachsen sind bei Gerichten der verschiedenen Instanzen ohnehin noch mehrere Klagen zur Kündigungsproblematik anhängig. Allein an zehn Verfahren ist die Verbraucherzentrale Sachsen beteiligt.
Knackpunkt: variable Zinsen
Neben der Kündigungsproblematik steckt in den Prämiensparverträgen (auch privater Banken) noch ein weiterer Knackpunkt: variable Zinsen, die in vielen Fällen nicht ordnungsgemäß angepasst wurden. Im Ergebnis stehen Sparern möglicherweise noch Nachzahlungen zu.
Dabei wäre es egal, ob die Kündigung des Sparvertrags wirksam ist oder nicht! Bei 2100 Verträgen, die von der Verbraucherzentrale überprüft wurden, sei nur einer korrekt gewesen, so Heyer. In einem ersten Schritt können Sie ihre Sparkasse formlos um eine Neuberechnung bitten. In der Praxis hat dies oft Erfolg. Wer seine Ansprüche dann rechtlich überprüfen und rechnerisch ermitteln lassen möchte, kann dazu einen kostenpflichtigen Beratungstermin bei einer Verbraucherzentrale vereinbaren.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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