Hunderttausend Bürger gegen Regierungschef in Prag

Millionen von EU-Subventionen sollen an Firmen von Ministerpräsident Andrej Babis geflossen sein

  • Lesedauer: 2 Min.

Prag. In Tschechien sind mindestens 100.000 Menschen gegen den unter Korruptionsverdacht stehenden Regierungschef Andrej Babis auf die Straße gegangen. Bei einer der größten Kundgebungen seit 1989 füllten die Demonstranten am Dienstagabend den zentralen Wenzelsplatz in Prag. Sie forderten den Rücktritt von Babis. Der Veranstalter, die Organisation »Millionen Momente für Demokratie«, sprach von 120.000 Teilnehmern.

»Andrej Babis gibt uns jede Woche einen neuen Grund, gegen ihn zu protestieren. Wir haben genug davon«, sagte Benjamin Roll, Vize-Chef der Organisation »Millionen Momente für Demokratie«, in einer Rede vor den Kundgebungsteilnehmern. Es sei »nicht normal«, dass Babis trotz seiner »Interessenskonflikte« und »persönlicher Probleme« weiterhin das Land regiere, sagte der Leiter der Organisation, Mikulas Minar.

Babis, zweitreichster Mann Tschechiens, wird vorgeworfen, als Unternehmer jahrelang unrechtmäßig von EU-Subventionen profitiert zu haben. Der Multimilliardär und Gründer der populistischen Partei ANO weist das zurück.

Die Demonstranten riefen »Schande, Schande« und hielten Spruchbänder wie »Babis ins Gefängnis« hoch. Der Regierungschef solle sich vor Gericht verantworten, forderte eine 30 Jahre alte Teilnehmerin. »Ich glaube ihm kein Wort«, sagte sie.

Zuletzt hatte ein interner Rechnungsprüfungsbericht der EU-Kommission, den tschechische Medien veröffentlichten, den Ministerpräsidenten belastet. Daraus geht hervor, dass die EU bis zu 17,4 Millionen Euro an Fördermitteln für mit Babis verbundene Firmen zurückfordern könnte. Die Kommission sei nach einer Prüfung zu dem Schluss gekommen, dass ein Interessenkonflikt vorliege. Der Verdacht, wonach Babis weiter von Gewinnen des von ihm gegründeten Firmenkonglomerats Agrofert profitiere, habe sich bestätigt. Dem Bericht zufolge setzte Brüssel bis zur Vorlage des Prüfberichts die Subventionszahlungen an Agrofert aus.

Der Bericht trage »Zeichen einer Attacke«, kritisierte Babis vor dem Parlament. Der 64-Jährige steht an der Spitze einer Minderheitsregierung mit den Sozialdemokraten unter Tolerierung der Kommunisten (KSCM).

Der 64-jährige Babis wird auch beschuldigt, in den 1980er Jahren mit der kommunistischen Geheimpolizei zusammengearbeitet zu haben. Der Regierungschef weist alle Vorwürfe zurück und sieht sich als Opfer einer »Verschwörung« und einer »Diffamierungskampagne«.

Agenturen/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.