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Klatschen für die Korruption
Per Akklamation im Amt bestätigt: Wie FIFA-Präsident Gianni Infantino sein Imperium Weltfußball beherrscht
Dieser Mittwoch war ein ganz besonderer Tag für Gianni Infantino. Seine Wiederwahl zum Präsidenten der FIFA stand schon vorher fest. Kurzfristig wurden am Vormittag durch den Kongress des Weltverbandes im Pariser Messezentrum aber noch die Statuten geändert. Und so wurde der Schweizer, wie einst Imperatoren im Römischen Reich, von den Vertretern der 211 Mitgliedsverbände per Akklamation im Amt bestätigt. Dass diese Art Abstimmungsverfahren bei Fußballverbänden wie beispielsweise der europäischen Dachorganisation UEFA oder dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) überhaupt möglich ist, offenbart viel über die Strukturen in diesem Sport. Ganz aktuell sagt es einiges über die Entwicklung und den Zustand der FIFA unter Gianni Infantino aus - nicht viel Gutes.
»Heute am Wahltag spricht keiner mehr über Krisen. Niemand spricht mehr von Skandalen, niemand spricht mehr von Korruption«, rief Infantino bei seiner Wahlrede in den Saal. Genau das war die Hoffnung, als er im Februar 2016 zum ersten Mal den FIFA-Thron bestieg. Krisen, Skandale, Korruption: staatsanwaltliche Ermittlungen, Verhaftungen und Verurteilungen von Funktionären sowie die Sperre des langjährigen Präsidenten Joseph Blatter - der Ruf der FIFA war damals dermaßen zerstört, dass sogar weltweit agierende Großkonzerne als Sponsoren absprangen.
Diese Situation war eine Chance. Infantino hat sie vertan. Wenn er sie überhaupt je nutzen wollte. Im Februar 2016 gab es noch einen Kampf um die Führung des Verbandes. Also musste Infantino eine kämpferische Rede halten. Demütig gelobte er der Weltöffentlichkeit Besserung, er wolle die FIFA »moralisch erneuern«. Die Wahl damals gewann er nach altbewährter Methode: Geben und Nehmen. Kleineren, in der großen Fußballwelt bedeutungsloseren Verbänden versprach er mehr Teilhabe. Allen versprach er mehr Geld. Und das nächste Großereignis war ja auch noch zu vergeben. So kam es, dass ihm Sunil Gulati im zweiten Wahlgang die nötigen Stimmen beschafft hat. Im Juni 2018 konnte sich der damalige Präsident des US-amerikanischen Verbandes dann über den Zuschlag für die WM 2026 freuen, die zusammen mit den Co-Gastgebern Kanada und Mexiko ausgetragen wird. Die drei Ausrichter versprachen danach, rund zehn Milliarden Euro ihrer Einnahmen an die FIFA abzutreten.
Mehr Teilhabe bietet die in vielen Punkten fragwürdige Erweiterung der Weltmeisterschaften. Ab 2026 werden bei den Männern 48 Nationen am Start sein. Infantinos Versuch, dies auch schon für das Turnier 2022 in Katar durchzusetzen, scheiterte nur an den politischen Verhältnissen in der Golfregion. Die Entwicklungshilfe wurde für den nächsten Vierjahreszyklus von 285 Millionen Euro auf 1,6 Milliarden Euro angehoben. Als Infantino am Mittwoch versprach, dass die Zuwendungen pro Verband und Jahr damit auf rund 5,3 Millionen Euro steigen werden, gab es wieder Applaus. Geld ist in der Funktionärswelt immer ein schlagendes Argument.
»Gianni ist ein Geschenk für den Fußball. Wir müssen ihm alle den Rücken stärken und sicherstellen, dass seine Visionen wahr werden«, warb Nigerias Verbandspräsident Amaju Pinnick jüngst vehement für die Wiederwahl Infantinos. Dass gerade in Afrika das Geld oft nicht dort landet, wofür es vorgesehen war und Korruption den Fußball auf diesem Kontinent kaputt gemacht hat, spielt immer noch keine Rolle. »Es ist noch wie früher bei Blatter, nur jetzt muss man viele Formulare ausfüllen, bevor man sein Geld bekommt«, berichtete ein Funktionär aus Uganda, der lieber anonym bleiben wollte.
Es sind aber bei weitem nicht nur Verbände aus Entwicklungsländern, die beim Machtspiel mitmachen. Dafür steht auch der weltweit größte Einzelverband: Der DFB hat den Sitz seines wegen Fehlverhaltens zum Rücktritt gezwungenen Präsidenten im FIFA-Council verloren. Reinhard Grindel war einer, der dem oft gewissenlosen Treiben im Weltfußball zumindest mit Worten kritisch gegenüberstand. Taten folgten eher selten. Am Mittwoch stand auch der deutsche Verband geschlossen hinter Gianni Infantino. Warum? »Wir sind hier nicht angetreten, um den DFB noch weiter ins Abseits zu stellen, als er es ohnehin schon ist«, erklärte Interimspräsident Reinhard Rauball.
Alle stehen hinter Infantino, jeder der sechs Kontinentalverbände entschied sich für dessen Wiederwahl. Das meint der Präsident wohl damit, wenn er sagt: »Die FIFA ist so stark wie nie zuvor.« Dank der WM 2018 in Russland konnte der Weltverband Rekordeinnahmen in Höhe von 5,7 Milliarden Euro erzielen. Wenn die Finanzen stimmen, stimmt auch das Wahlergebnis. Dann gibt es keinen Gegenkandidaten, dann werden auch schnell mal die Statuten geändert. Joseph Blatter musste für seine Wiederwahl per Akklamation im Jahr 2007 noch einen Antrag stellen.
Gianni Infantino hat das Imperium Weltfußball neu geordnet, nach seinen Vorstellungen. Sätze wie folgender vom Mittwoch bleiben unwidersprochen: »Wir wissen genau, woher jeder Dollar kommt und wohin jeder Dollar fließt. Wir haben bei der FIFA keinen Platz mehr für Korruption. Nie wieder.« Dabei ist es ein Leichtes, ihn bloßzustellen. Seine großen Visionen wie die WM mit 48 Teams, eine Klub-WM mit 24 Mannschaften oder eine globale Nationenliga zielen auf das ganz große Geld. Interessenten gibt es, sagt er. Diese wären bereit, 22 Milliarden Euro für neue Turnierformate und weitreichende Rechte daran zu bezahlen. Bis heute weiß niemand genau, wer diese Geldgeber wirklich sind. Nicht mal den engsten und wichtigsten Mitarbeitern im FIFA-Council wollte er deren Herkunft verraten. Er berief sich auf eine vereinbarte Verschwiegenheit. Recht ungehalten reagierte Infantino dann, als sich für seine Visionen keine entscheidenden Befürworter finden ließen, schon gar keine Mehrheit.
»Die Welt wird mir noch applaudieren, wie ich die FIFA aufgeräumt habe«, sagte Infantino so skrupellos wie selbstherrlich vor zwei Jahren. Der Welt ist es mittlerweile wieder egal. Von der zuvor so ermittlungsfreudigen US-Justiz ist nach der Vergabe der WM 2026 nur noch wenig zu hören. Die Großsponsoren des Weltverbandes kommen ja auch nicht mehr nur aus der westlichen Welt, sondern aus dem arabischen Raum. Und China: Angesichts des großzügigen Engagements der Wanda Group, sollte es verwundern, wenn die WM 2030 nicht im Reich der Mitte stattfinden sollte.
Aufgeräumt hat Gianni Infantino beim Weltverband tatsächlich. Rund ein Viertel der Mitarbeiter wurde ausgetauscht - viele, die dem Präsidenten im Weg standen. Schon gleich am Anfang seiner ersten Amtszeit fühlte er sich als »Geisel« der unabhängigen Ethikkommission. Die beiden obersten Richter, Hans-Joachim Eckert und Cornel Borbély, die Infantinos korrupten Vorgänger Blatter zur Strecke gebracht und auch gegen Infantino selbst ermittelt hatten, mussten gehen. Am neuen Ethik-Code schrieb der Präsident gleich selbst mit, die Besetzung der Kommission bestimmt er. Die neu berufene María Rojas aus Kolumbien stellte die Ermittlungen gegen den Präsidenten alsbald ein. Niemand könnte all das besser beschreiben als Infantino: »Die FIFA ist jetzt in einem Zustand, wie er sein sollte.«
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