EU will »Visahebel« ansetzen

Brüssel plant, mangelnde Kooperation in Flüchtlingsfragen zu bestrafen / Strengere Regularien bei Visavergabe

  • Lesedauer: 2 Min.

Brüssel. Die Europäische Union will künftig strenger bei der Visavergabe für Menschen aus Drittstaaten verfahren, wenn diese nicht nach Ermessen der EU ausreichend Geflüchtete wiederaufnehmen. Wie die EU-Mitgliedstaaten am Donnerstag beschlossen, soll bei unzureichender Rücknahmebereitschaft künftig »die Bearbeitung von Visumsanträgen als Hebel eingesetzt werden«. Die EU kann dann entscheiden, ob sie Bearbeitungszeiten verlängert, die Visa-Gültigkeit verkürzt, höhere Kosten erhebt oder kostenlose Visa für bestimmte Gruppen wie Diplomaten streicht.

Die Änderungen sind in einer Überarbeitung des europäischen Visakodex enthalten. Demnach soll die EU-Kommission die Kooperationsbereitschaft von Drittstaaten, also Nicht-EU-Ländern, bei der Rücknahme »irregulärer Migranten« mindestens einmal im Jahr bewerten. Wenn ein Staat nicht kooperiert, soll die Kommission den Mitgliedstaaten einen Beschluss für »spezifische restriktive Maßnahmen« bei der Visavergabe vorschlagen. Umgekehrt sollen kooperative Länder belohnt werden. Laut EU-Rat kann die EU-Kommission dann vorschlagen, dass die Visumsgebühr gesenkt, die Entscheidungsfrist verkürzt oder die Gültigkeit von Mehrfachvisa verlängert wird.

Die Staats- und Regierungschefs hatten die EU-Kommission 2017 dazu aufgefordert, die Hebelwirkung der gemeinsamen Visumpolitik bei der Abschiebung illegaler Migranten besser zu nutzen. Im Folgejahr legte die Brüsseler Behörde dann einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vor.

Im Falle von Bangladesch wurde dieses Druckmittel im Rahmen eines Pilotprojekts der EU bereits getestet. Diplomaten zufolge führte dies zu einem deutlichen Anstieg der Rücknahmebereitschaft. Nach Angaben der Kommission wurden 2016 fast 14 Millionen Schengen-Visa ausgestellt. Dem Schengenraum, in dem es in der Regel keine stationären Personenkontrollen an den Grenzen gibt, gehören 26 europäische Länder an.

Der geänderte Visakodex wird voraussichtlich Ende des Jahres in Kraft treten. Er gilt sechs Monate nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.