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Ein Sport, zwei Welten
Vor der WM machen sich immer mehr Fußballerinnen für gerechtere Prämien stark.
Die Wolfsburger Torhüterin Almuth Schult spielt seit sieben Jahren für das deutsche Nationalteam. Ihr Kollege Manuel Neuer gehört seit 2009 zur Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Trotzdem lernten sich beide erst im März kennen. Per Zufall in einem Hotel in Wolfsburg, im Rahmen eines Männerländerspiels. Neuer war mit den Erfolgen von Schult vertraut. Sie war bereits Europameisterin und Olympiasiegerin. Und natürlich kannte sie auch die Errungenschaften des Weltmeisters. Persönlich aber waren sie einander nie begegnet. Der DFB hält die Nationalteams offenbar strikt getrennt. »Ich hoffe, dass es mal einen offiziellen Anlass gibt, dass sich Spieler und Spielerinnen kennenlernen«, sagt Schult.
Sie schätzt ihr Umfeld im Nationalteam: die gute Betreuung und die komfortablen Reisebedingungen. Aber bei Prämien und Vermarktung beobachte sie Stagnation. Schult kann durchaus nachvollziehen, dass es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt. Aber muss der wirklich so groß ausfallen? Für den Gewinn der Weltmeisterschaft 2018 hätte jeder Nationalspieler 350 000 Euro vom DFB erhalten. Bei den Spielerinnen würden nun bei der WM in Frankreich jeweils 75 000 Euro fließen. Das wäre die mit Abstand höchste Prämie für deutsche Fußballerinnen, aber noch immer weniger als ein Fünftel dessen, was die Männer erhalten hätten. Allgemein verdienen Männer in Deutschland durchschnittlich rund 20 Prozent mehr als Frauen.
Alle zwei Jahre schaffen es die Fußballerinnen aus ihrer Nische heraus - bei Europa- und Weltmeisterschaften. Jedes Mal nutzen sie die Plattform, um Gerechtigkeit einzufordern, aktuell tun das vor allem die Australierinnen. »Die Spielerinnen sind Opfer der Diskriminierung«, sagte sogar John Didulica, Leiter der australischen Profivereinigung PFA, dem britischen »Guardian«. Bei der WM der Männer 2018 verteilte der Weltverband FIFA insgesamt 400 Millionen US-Dollar (etwa 350 Millionen Euro) an Prämien, bei den Frauen werden es gerade mal 7,5 Prozent dieser Summe sein. 2018 erhielt Weltmeister Frankreich 38 Millionen Dollar, die Weltmeisterinnen werden »nur« vier Millionen erhalten. Sollte die Prämienannäherung in diesem Tempo weitergehen, wäre eine finanzielle Gleichstellung frühestens 2039 möglich. Daher drohen die australischen Spielerinnen der FIFA sogar mit einer Klage nach der WM.
Die Debatte täuscht über die Kernprobleme hinweg, wie FIFPro nahelegt. Im Jahr 2017 befragte die internationale Profivereinigung weltweit 3600 Spitzenspielerinnen nach ihrem Monatsgehalt. Im Schnitt kommen sie demnach auf 600 Dollar. Nur 18 Prozent stuften sich selbst als professionell ein. Lediglich ein Prozent verdient mehr als 8000 Dollar im Monat, 76 Prozent verbinden ihren Sport mit einem anderen Beruf oder einem Studium. »Wir dürfen die Diskussion nicht auf Prämien reduzieren«, sagt Caitlin Fisher von FIFPro. Es geht um Trainingszeiten, die Qualität der Spielfelder, um Marketing und Ausstattung. »Es würde nicht reichen, nur Geld in den Markt zu pumpen. Wir brauchen einen langfristigen Kulturwandel.« Dass der nötig ist, beweisen die 90 Prozent der Befragten von FIFPro, die mit dem Gedanken spielen, ihre Karriere frühzeitig abzubrechen.
Der deutsche Frauenfußball war lange das Maß aller Dinge: zwei Welt- und neun Europameistertitel, beachtliche Fernsehquoten zur Heim-WM 2011, dazu steigende Zuschauerzahlen in der Bundesliga. Doch seit knapp fünf Jahren geht der Trend wieder zurück. Der Zuschauerschnitt in der Bundesliga ist auf 833 gefallen, weniger Besucher kamen zuletzt vor neun Jahren. »Frauenfußball kommt nicht von selbst. Man muss wahnsinnig viel reinstecken«, sagt die Berliner Journalistin und Buchautorin Alina Schwermer. »Das hat man in Deutschland an vielen Stellen schleifen lassen. Und um Fans an einen Frauenverein zu binden, brauche ich eine durchgehende Erzählung.«
In Spanien wird die gerade geschaffen. Die erste Frauenliga gewann ein Energieunternehmen als Hauptsponsor und verkaufte ihre Fernsehrechte für drei Millionen Euro pro Saison. Das Spiel zwischen Atlético Madrid und dem FC Barcelona verfolgten 60 000 Zuschauer im Stadion und 400 000 vor dem Fernseher. Etliche Mädchen meldeten sich danach in Vereinen an. Auch in England legte der Verband einen Wachstumsplan vor, mit einem Ligasponsor und mit einer besseren Abstimmung zwischen Männern und Frauen für Trainingsbedingungen und Anstoßzeiten. Fußballerinnen, so die Regel in England, müssen von ihrem Sport leben können.
Die MeToo-Bewegung hat in etlichen Bereichen die Benachteiligung von Frauen thematisiert, im Fußball aber nur in wenigen Ländern, so in Australien, den Niederlanden oder Skandinavien. Im Oktober 2017 glich in Norwegen der erste Fußballverband die Zahlungen für Nationalspieler und -spielerinnen an. »Die Männer waren sofort bereit, auf einen kleinen Teil ihrer Zahlungen zu verzichten«, berichtet der ehemalige Profi Tom Fodstad, der im Verband für Sponsoren und Marketing zuständig ist. »Unser Verband hat schon vor Jahrzehnten um weibliche Mitglieder geworben. In unserem Vorstand sitzen vier Männer und vier Frauen.«
Auch Torhüterin Almuth Schult und ihre Kolleginnen wollen sich beim DFB und in der Bundesliga weiter für eine Lohnannäherung einsetzen. Noch ist der Weg weit: Nach dem »Global Sports Salaries Survey« verdienen Spielerinnen in der Bundesliga durchschnittlich 39 000 Euro pro Saison. Bei den Männern sind es 48 000 Euro - pro Spiel!
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