Auf dem Weg zur ganz großen Koalition

Konservative, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne diskutieren im EU-Parlament über gemeinsame Vereinbarung

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Atmosphäre zwischen den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union könnte vor dem geplanten Gipfel in der kommenden Woche besser sein. Denn noch immer gehen die Meinungen auseinander, wer den Posten des mächtigen EU-Kommissionspräsidenten erhalten und auf Amtsinhaber Jean-Claude Juncker folgen soll. Zwar wurde bei der EU-Wahl im Mai erneut die konservative Europäische Volkspartei EVP stärkste Kraft, aber ihr Ergebnis fiel mit 23,8 Prozent eher bescheiden aus.

Das spielt denjenigen in die Hände, die unbedingt verhindern wollen, dass der CSU-Politiker und EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber den Chefposten bei der Kommission erhält. So hält Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron nicht viel von Weber. Dieser war bisher einfacher EU-Abgeordneter und ihm fehle die notwendige Erfahrung, lautet Macrons Argument. Somit befindet er sich in einem Konflikt mit Kanzlerin Angela Merkel, die zu den wichtigsten Unterstützerinnen von Weber zählt.

Der Bayer will nun am Mittwoch bei den Fraktionen von Konservativen, Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen im EU-Parlament die Ziele für eine Art Koalitionsvereinbarung ausloten und darauf seine Kandidatur stützen. Bis zu Beginn der kommenden Woche wollen sich die Fraktionen auf einen gemeinsamen Forderungskatalog einigen.

Weber benötigt neben dem Rückhalt in der EVP mindestens die Unterstützung von zwei weiteren Fraktionen. Das wird sicherlich nicht einfach. Denn die Sozialdemokraten wollen, dass ihr Spitzenmann, der Niederländer Frans Timmermans, künftig der Kommission vorsteht. Und die Liberalen, darunter Macrons Partei La République en Marche, setzen auf die dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Als möglichen Kompromisskandidaten hat Macron zudem den Brexit-Beauftragten Michel Barnier ins Spiel gebracht. Dieser ist Franzose und gehört den kriselnden Republikanern an und damit auch der EVP.

Das Vorschlagsrecht für den künftigen Vorsitzenden der EU-Kommission liegt bei den Staats- und Regierungschefs. Möglicherweise wird es schon auf dem EU-Gipfel am 20. und 21. Juni eine Entscheidung geben. Möglich ist aber auch, dass diese erst im Laufe des Sommers getroffen wird. Der Personalvorschlag muss noch vom Europäischen Parlament abgesegnet werden. Dieses will nur einen Politiker wählen, der als Spitzenkandidat seiner Parteienfamilie im EU-Wahlkampf angetreten ist. Das würde gegen eine Nominierung von Barnier sprechen. Und ob Vestager aus Sicht der Parlamentsmehrheit überhaupt in Frage kommt, wird sich zeigen. Denn sie war für die Liberalen in einem Spitzenteam angetreten und hatte erst nach der Wahl erklärt, Kommissionspräsidentin werden zu wollen. Aus diesen Gründen sprach sich die scheidende Bundesjustizministerin und künftige EU-Abgeordnete Katarina Barley am Dienstag im SWR gegen Vestager aus.

Neben der Nachfolge von Juncker ist auch die für Parlamentspräsident Antonio Tajani, für die Außenbeauftragten Federica Mogherini, für den Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, sowie für EU-Ratschef Donald Tusk zu regeln. Sie alle scheiden im Herbst aus dem Amt.

Für den Gipfel hat Tusk nun auch einen inhaltlichen Aufschlag gemacht. Am Montag wurde sein fünfseitiger Entwurf für eine strategische Agenda der EU bis zum Jahr 2024 bekannt. Demnach soll der Staatenverbund seine bisherige Politik fortsetzen. Der Entwurf wird noch von den 28 Mitgliedstaaten debattiert und kann ergänzt werden.

Trotz der großen Klimaproteste und der Debatten im Europawahlkampf wird in dem Papier kein neues Ziel gesetzt. Der Entwurf verweist auf das Pariser Klimaabkommen von 2015. Allerdings heißt es auch: »Die EU kann nicht alleine handeln: Alle Länder sollten voranschreiten und mehr für den Klimaschutz tun.« Das Ziel der »Klimaneutralität« wird genannt - das bedeutet, dass aus der EU unterm Strich keine neuen Klimagase in die Atmosphäre kommen. Ein konkretes Datum dafür fehlt aber.

Die EU wird sich weiter vor Flüchtlingen abschotten. Die Kontrolle der Außengrenzen, der Kampf gegen »illegale Migration« und eine vertiefte Kooperation mit Herkunftsstaaten, wie etwa jenen in Afrika, werden im Entwurf betont. Auch die Aufrüstungspolitik wird fortgesetzt. Vorgesehen sind laut dem Dokument »zusätzliche Investitionen in Europas Verteidigung«. Mit Agenturen

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