Nazis als Opfer

Ruhestätten von Kriegsverbrechern werden mit Steuermitteln gepflegt / LINKE fordert Änderung im Gräbergesetz

  • Philip Blees
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Grab erinnert immer an den dort bestatteten Menschen – und an das, was er im Leben getan hat. Die Linksfraktion im Bundestag hatte die Regierung gefragt, wie die Erhaltung der Ruhestätten von Personen geregelt ist, die an Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Zeit des Naziregimes beteiligt waren. Das Bundesfamilienministerium bestätigte jetzt, dass für die Pflege dieser Gräber erhebliche Summen aus öffentlichen Haushalten eingesetzt werden.

Aus der Regierungsantwort, die »nd« vorliegt, geht hervor, dass von den rund zwei Millionen deutschen Kriegstoten, die in 832 Gräberfeldern in 46 Staaten beigesetzt sind, rund zehn Prozent SS-Angehörige waren. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge bekam allein 2018 für die Erhaltung dieser Friedhöfe vom Bund fast 16 Millionen Euro. Dagegen wurden für die Pflege von Grabstätten für KZ-Häftlinge oder Zwangsarbeiter*innen nur rund 1,3 Millionen Euro aufgewendet.

Geregelt wird der Umgang mit diesen Ruhestätten im deutschen Gräbergesetz. Sein Zweck sei das besondere Gedenken an die »schrecklichen Folgen von Krieg und Gewaltherrschaft«, erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort. Die Grabstätten von SS- und Wehrmachtsangehörigen sollen demnach auch erhalten bleiben, um die Erinnerung an »die Gräuel des Zweiten Weltkriegs und ihre Täter« wachzuhalten.

André Hahn, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der LINKEN, findet es »unerträglich, dass mit öffentlichen Geldern Gräber von Personen gepflegt werden, die als KZ-Kommandanten oder Militärangehörige an schlimmsten Verbrechen der NS-Zeit beteiligt waren«. Für ihn kommt das »einer Verhöhnung der Opfer der Naziherrschaft gleich«. Hahn fordert eine Änderung des Gräbergesetzes. NS-Massenmörder dürften nicht länger als »Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft« gelten.

Wie fragwürdig das Vorgehen der Bundesregierung ist, illustrieren die Fälle von Bruno Bräuer und Friedrich-Wilhelm Müller. Beide Generäle wurden kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Griechenland wegen Massakern an Zivilist*innen und der Deportation von 8000 Jüdinnen und Juden zum Tode verurteilt. 1947 wurden sie hingerichtet und in den Kriegsgräberstätten Maleme und Dionyssos-Rapendoza beigesetzt. Dort liegen sie bis heute.
Die Bundesregierung bestätigt, dass die Pflege von Gräbern wie diesen nach dem deutsch-griechischen Kriegsgräberabkommen weiter mit Steuergeldern finanziert wird. Dies ist umso skandalöser, als sich an den meisten dieser Gräber keine Informationen über die Taten der dort Bestatteten finden. Auf den Grabsteinen steht meist nur der Name über Geburts- und Todesdatum. Zudem besteht hier, anders als auf zivilen Friedhöfen ein »ewiges Ruherecht«. Aufklärung über die Verbrechen von Bräuer und Müller gibt es lediglich in einer Ausstellung in Maleme.

Für Hahn ist all das »absolut inakzeptabel«. »Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass Steuergelder für die Gräber dieser beiden Kriegsverbrecher verwendet werden«, so der LINKE-Politiker.

Der Antwort auf seine Anfrage lässt sich auch entnehmen, dass die deutsche Botschaft in Griechenland dafür sorgt, dass auf den erwähnten Friedhöfen regelmäßig Kränze niederlegt und Gedenkveranstaltungen abgehalten werden. Die Bundesregierung befürwortet das »als Mahnung gegen Krieg und als Gedenken an Tausende Menschenleben, die die deutsche Besatzung auf Kreta und in ganz Griechenland gefordert hat.«

Wer dabei Opfer und wer Täter war, bleibt bei dieser Art des Gedenkens nebensächlich. Die Regierung rechtfertigt das mit der Beteiligung von Vertretern der griechischen Regierung und von Opferverbänden an den Zeremonien. Der deutsche Botschafter habe auch der Opfer der an der Zivilbevölkerung begangenen Gräueltaten gedacht, heißt es.

Der Volksbund verteidigte seine Arbeit nach Bekanntwerden der Anfrage. Man sei sich der »Problematik« bewusst und wolle »Friedhöfe zu Orten der Auseinandersetzung mit und der Verantwortung für Vergangenheit und Zukunft machen«, erklärte der Verein kürzlich gegenüber dem »Tagesspiegel«. Die Tatsache, dass dort »häufig einfache Soldaten neben Kriegsverbrechern, Zivilisten neben Internierten, Täter neben Opfern liegen – und dass manche auch beides waren«, mache die »komplexe und grausame Dimension dieses Krieges deutlich«, so der Volksbund.

Die Bundesregierung stellte im Übrigen klar, dass Gedenktafeln mit der Aufschrift »Sie gaben ihr Leben für ihr Vaterland« in Maleme nicht entfernt werden sollen. Sie seien »mittlerweile selbst historische Zeitzeugnisse« und stünden für den »gesellschaftlichen Wandel in der Erinnerungspolitik«. Wie ernst es der deutschen Politik mit echter Aufarbeitung ist, zeigt ihre Reaktion auf die Reparationsforderungen Griechenlands: Sie wurden dieser Tage erneut zurückgewiesen.

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