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Rechter Kampfsport im einstigen KZ
Im Osten Leipzigs betreiben rechte Hooligans ein Kampfsportstudio
Die Kamenzer Straße liegt im Leipziger Stadtteil Schönefeld. Hier beginnt ein tristes Industriegebiet. Im Zweiten Weltkrieg befand sich auf dem Gelände eine Produktionsstätte der Hugo-Schneider-Aktiengesellschaft (HASAG), eines Rüstungskonzerns, und später eine Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald. Heute treffen sich auf eben jenem Gelände rechte Hooligans. Sie haben sich hier in einer Lagerhalle ein Kampfsportstudio eingerichtet. Bereits seit einiger Zeit gibt es dagegen Protest. Nun planen Aktivist*innen eine Demonstration gegen die Nutzung durch die Rechten.
Die HASAG produzierte bis 1945 vor allem Munition für die Wehrmacht. Zu deren Produktion wurden jüdische Zwangsarbeiterinnen – überwiegend aus Polen – und politische Gegnerinnen eingesetzt. Bis zu 5000 Frauen mussten mussten hier schuften. Untergebracht waren sie in Baracken unweit der Fabrik. Mit dem absehbaren Ende des Krieges wurden die meisten am 13. April 1945 auf den Todesmarsch geschickt, nur wenige überlebten.
Mit dem Gelände passierte lange nichts. Heute befindet sich dort unter anderem das Helmholtz Zentrum für Umweltforschung. Seit 2001 gibt es außerdem die Gedenkstätte für Zwangsarbeit, welche die Vergangenheit des Geländes dokumentiert und regelmäßig Rundgänge veranstaltet.
Für Wirbel sorgt, was sich im nördlichen Teil des Areals abspielt. Bereits seit 2007 fanden hier in einer alten Lagerhalle – an eben jenem Ort, wo sich einst das KZ befand – immer wieder Neonazikonzerte statt. Zuletzt verhinderten im Januar 2018 Behördenvertreter ein weiteres Rechtsrockkkonzert. Die Pächter der Lagerhalle betreiben darin ein Kampfsportstudio. Nach Angaben von Beobachter*innen trainieren dort vor allem bekannte Hooligans aus der Fanszene des Leipziger Vereins Lokomotive Leipzig (Lok). Auch Alexander K., der mutmaßliche Kopf der Leipziger »Identitären«, veröffentlichte Fotos, die ihn mutmaßlich in diesem Studio zeigen.
Einige Clubmitglieder sind keine Unbekannten und bereits seit langer Zeit in rechten Kreisen – auch außerhalb des Fußballs – aktiv. Immer wieder beteiligen sie sich auch an explizit politischen Veranstaltungen, so an den rassistischen Protesten im August 2018 in Chemnitz, wie das Leipziger »Ladenschluss«-Bündnis recherchierte. Auf etlichen Bilder des Kampfsportstudios auf dessen Facebookkanal findet sich das Gesicht einer Person wieder: Benjamin Brinsa. Unter dem Namen »The Hooligan« ist Brinsa in der Mixed-Martial-Arts-Szene bekannt. Er war bereits auf dem Weg zu einer Profikarriere, als ihm im Jahr 2013 die US-amerikanische Ultimate Fighting Championship (UFC) ihren Vertrag mit Brinsa kündigte. Der Kündigung waren Vorwürfe gegen Brinsa vorausgegangen, er habe in Neonazikreisen verkehrt. Nun scheint er die rechte Leipziger Truppe zu trainieren. Bei den Kommunalwahlen im Mai wurde Brinsa außerdem für das rechte Bündnis »Neues Forum für Wurzen« in den Stadtrat der sächsischen Stadt gewählt.
Wie hoch die Gewaltbereitschaft bei einigen der rechten Kampfsportler ist, zeigte unter anderem ihre Beteiligung am Angriff auf den von Linken dominierten Leipziger Stadtteil Connewitz. Am 11. Januar 2016 hatten mehr als 200 Rechte in Connewitz randaliert. Zur gleichen Zeit stand Hannes Ostendorf, Sänger der Neonaziband »Kategorie C«, bei einer Kundgebung des islamfeindlichen »Legida«-Bündnisses auf der Bühne. Die Rechten schlugen in Connewitz Scheiben ein, warfen einen Brandsatz in einen Imbiss.
Auch an einen Vorfall am Pfingstwochenende waren Personen beteiligt, die vermutlich der Schönefelder Kampfsporttruppe zugerechnet werden können: Leipziger Hooligans aus dem Umfeld von Lok Leipzig schlugen auf Mallorca einen senegalesischen Türsteher krankenhausreif. Er wurde so schwer verletzt, dass eine Querschnittslähmung als Folge nicht ausgeschlossen werden kann. Mindestens einer der Angreifer soll Mitglied des rechten Kampfsportteams aus Leipzig zu sein. Denn zur selben Zeit teilte ein weiteres Mitglied ein Foto einer Hooligan-Reisegruppe auf seinem privaten Profil in einem Onlinenetzwerk. Mittlerweile ist der Beitrag gelöscht.
Das Leipziger Ladenschluss-Bündnis hat für diesen Samstag zu einer Demonstration gegen die Nutzung des ehemaligen KZ-Geländes durch rechte Kampfsportler aufgerufen. »Aus unserer Sicht ist es ein Unding, dass gewaltbereite organisierte Neonazis ungestört einen historisch derart belasteten Ort für sich nutzen können und dies in der Stadtgesellschaft keine größere Rolle spielt«, sagte einer der im Bündnis Aktiven dem »nd«. »Wir wollen Aufmerksamkeit schaffen für das, was sich dort abspielt.« Die Demonstration soll in der Innenstadt beginnen und mit einer Abschlusskundgebung auf dem ehemaligen Lagergelände enden.
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