Monument und Architekturikone

Eine Installation in Friedrichsfelde erinnert an Mies van der Rohes Revolutionsdenkmal

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit Jahrzehnten ist der Zentralfriedhof in Berlin-Friedrichsfelde stets im Januar das Ziel von Aufmärschen, mit denen Sozialisten, Kommunisten, linke Sozialdemokraten und Gewerkschafter der Opfer der revolutionären Kämpfe vom Januar 1919 in Berlin gedenken. Bis in die 1930er Jahre führten die Demonstrationen zum Revolutionsdenkmal, das der Architekt und spätere Bauhausdirektor Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969) geschaffen hatte. Das aus Spenden finanzierte Denkmal war am 13. Juni 1926 im nordöstlichen Teil des Friedhofs eingeweiht worden. Die KPD hatte es den dort bestatteten Märtyrern der Januarkämpfe, allen voran ihren ermordeten Führern Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, gewidmet.

Am Donnerstag, 93 Jahre nach der Enthüllung, hat der Förderkreis Erinnerungsstätte der deutschen Arbeiterbewegung Berlin-Friedrichsfelde e.V. in Anwesenheit von Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst (LINKE) der Öffentlichkeit eine temporäre Installation des Revolutionsdenkmals übergeben. Auf einer Leinwand zeigt sie bis Ende September eine Schwarz-Weiß-Ansicht der Vorderfront des einst zwölf Meter breiten und sechs Meter hohen Bauwerks.

Die Installation soll im 100. Gründungsjahr des Bauhauses die Gestalt und annähernde Größe des 1935 vom NS-Regime zerstörten Monuments am authentischen Ort nacherlebbar machen. Der Entwurf, eine mit Klinkern verblendete Stahlbetonkonstruktion, gilt als Meilenstein in der Denkmalarchitektur und Ikone der Moderne. Vor Monaten war auch die Lage der 38 Gräber in den vorderen drei Reihen rekonstruiert worden. Grabplatten mit allen Namen zeigen die Situation nach den Bestattungen im Sommer 1919. Eine Ausstellung vor Ort informiert über Entstehungsgeschichte und Aussehen der Anlage.

Grunst würdigte die Initiative des Fördervereins, aus dem denkmalgeschützte Areal zunächst für einen begrenzten Zeitraum einen neuartigen Erinnerungsort zu machen. Man könne hier nachempfinden, welche Wirkung dieses einmalige Monument ausgestrahlt habe. »Der Verein ist für mich ein Beispiel dafür, wie man in Lichtenberg mit der teils auch schmerzhaften Geschichte des Ortes gemeinsam umgeht«, sagte er. »Mich beeindruckt dieser Umgang mit der Geschichte, weil im Förderverein Vertreter der unterschiedlichsten Strö᠆mungen der Arbeiterbewegung zusammenarbeiten.« Auch zur schmerzhaften Geschichte zählten die Jahre der Weimarer Republik und der NS-Diktatur, die Unterzeichnung der Bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945 in Karlshorst, aber auch die Geschichte der DDR. Wenn man Lehren aus diesen vergangenen 100 Jahren ziehen müsse, dann die, dass die Würde des Menschen unantastbar und keine Toleranz gegenüber Feinden der Demokratie zu zeigen sei.

Der Historiker Jürgen Hofmann, Mitbegründer und Vorstandsmitglied des Fördervereins, erinnerte daran, dass der Entwurf, den Ludwig Mies van der Rohe der KPD-Führung vorlegte, seinerzeit eine Revolution in der Denkmalarchitektur war. Er habe ihn als direkte Reaktion auf einen »scheußlichen Entwurf«, der damals vom Parteivorstand favorisiert wurde, entwickelt. »In seiner Formensprache war er etwas bis dahin nie Dagewesenes«, sagte er. Gerade auch in der Partei habe man lange damit gefremdelt. Mies van der Rohe habe stets betont, dass er kein Denkmal für die KPD, sondern für die Märtyrer der Revolution und vor allem für Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg schaffen wollte. Er sei Zeit seines Lebens von seinem Denkmal überzeugt gewesen.

Immer wieder hat es nach dem Krieg Forderungen gegeben, das 1941 beseitigte Revolutionsdenkmal wieder aufzubauen. Zunächst habe es an den notwendigen Ressourcen gefehlt, sagte Hofmann. Später habe man in der DDR mit der Gedenkstätte der Sozialisten, an der Mitglieder von KPD und SPD gemeinsam bestattet sind, einen Mittelpunkt der politischen Selbstdarstellung geschaffen. Alljährlich im Januar nahm die Partei- und Staatsführung dort bei der Liebknecht-Luxemburg-Demonstrationen das vieltausendköpfige Defilee der Berliner Werktätigen ab. Erst 1983 schufen der Architekt Günter Stahn und der Bildhauer Gerhard Thieme am fast vergessenen Standort des Revolutionsdenkmals ein Erinnerungsmal.

Wita Noack, die Leiterin des Mies-van-der Rohe-Hauses im Ortsteil Hohenschönhausen, sprach sich vor Ort für den Wiederaufbau des Revolutionsdenkmals ein. Die Zeit dafür sei günstig. Lichtenberg würde dadurch nicht nur um einen Anziehungspunkt bereichert, sondern erhielte einen Ort, sich mit seiner wechselhaften Geschichte auseinanderzusetzen. »Ein guter Zeitpunkt dafür wäre der 100. Jahrestag der Enthüllung des Denkmals«, sagte sie.

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