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»Proteste sind Ausdruck von Demokratie«
Vom 19. bis 24. Juni wollen Tausende Menschen Bagger im Tagebau Garzweiler im Rheinland stilllegen
Für welche Ziele steht »Ende Gelände«?
»Ende Gelände« fordert den sofortigen Kohleausstieg, als den jetzt notwendigen Schritt für Klimagerechtigkeit. Und als den Schritt, um etwas gegen die Klimakrise zu tun. Es reicht nicht, 2038 auszusteigen. Das ist völlig offensichtlich und deswegen ist es umso wichtiger, für Klimagerechtigkeit, jetzt Ende Juni wieder ein deutliches Zeichen zu setzen. Mit den Protesten letztes Jahr im Hambacher Forst haben so viele Menschen gezeigt, dass sie sich dieser sinnlosen Zerstörung, nur für Profite von Konzernen, entgegenstellen. Jetzt ist es an der Zeit, dass wir den Kohleausstieg so lange selbst weiter in die Hand nehmen, bis auch die Regierung verstanden hat, dass Kohlekonzerne fossile Dinosaurier sind, die wirklich gestoppt werden müssen.
Seit 2016 engagiert sich Karolina Drzewo bei »Ende Gelände«. Für »nd« sprach mit ihr Katharina Schwirkus und fragte sie, warum das Bündnis erfolgreich ist, wie die Aktivist*innen mit Einschüchterungsversuchen von Polizei sowie RWE umgehen und was das Polizeigesetz in NRW für Folgen für den Protest haben könnten.
Foto: nd/Katharina Schwirkus
Wer macht bei dem Bündnis mit? Gehören die »Fridays for Future« und »Extinction Rebellion« auch dazu?
Ende Gelände» selbst ist ein Bündnis, das über die letzten Jahre gewachsen ist. Es hat angefangen als ein breites Bündnis aus Menschen aus der Anti-Atombewegung, aus anderen Umwelt- und Klimaprotesten, aus verschiedenen linken Spektren. Über die Jahre ist die Klimagerechtigkeitsbewegung größer, bunter, vielfältiger geworden, und «Ende Gelände» selbst ist nur ein Teil dieser Bewegung. Es ist unglaublich schön zu sehen, dass nach den Protesten im Hambacher Forst, mit «Fridays for Future» und «Extinction Rebellion», die Bewegung noch größer und vielfältiger geworden ist. Es sind noch mehr Menschen, die zum Teil zum ersten Mal für Klimagerechtigkeit protestieren.
Die Polizei wirft «Ende Gelände» vor, mit den Besetzungen im Tagebau junge Menschen in Gefahr zu bringen. Was sagen Sie dazu?
Bei «Ende Gelände» hat die Sicherheit aller Beteiligten oberste Priorität und unser Aktionskonsens hat sich in den letzten fünf Jahren bewährt. Dementsprechend bereiten wir unsere Aktivist*innen vor, mit Aktionstrainings. Von uns geht keine Eskalation aus. In der Vergangenheit hat die Polizei aber leider auch Zusammenstöße provoziert. Dann ist das Wichtigste, dass wir untereinander auf uns aufpassen.
Wie gehen Sie mit der Kriminalisierung des Protests um?
Niemand bleibt alleine mit Repressionen. Wir unterstützen die Leute bei Verfahren. Diese Repressionsversuche, die zunehmen, sind eigentlich Ausdruck davon, dass wir stärker werden. Die Polizei und der Energiekonzern RWE versuchen panisch, noch ihre Macht durchzusetzen.
Was sagen Sie Menschen, die Angst vor strafrechtlichen Folgen haben?
Wenn wir viele sind, dann sind wir einfach stark. Und wenn wir auch danach weiter zusammenhalten und Menschen bei Verfahren unterstützen, dann nimmt es diese Angst, alleine einem Riesenkonzern gegenüber zu stehen.
Im Vorfeld der diesjährigen Proteste hat RWE an die Pressesprecherin von «Ende Gelände», Kathrin Henneberger, eine Unterlassungserklärung geschickt.
Diese Repression ist einfach bodenlos. Für mich sind die Menschen, die protestieren, ein Ausdruck von Demokratie. Menschen kämpfen für ihre Rechte, sie kämpfen für die Zukunft. Und dann kommt da so ein Konzern, der nur aus seinem Profitinteresse versucht, Menschen, die mutig ihre Meinung sagen, einzuschüchtern. Aber das klappt nicht. 2017 blockierten Aktivist*innen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung das Kraftwerk Weisweiler. RWE verklagt sie jetzt auf 2,1 Millionen Euro. Doch die werden keinen Cent sehen.
Warum verweigern viele, ihre Personalien preiszugeben, wenn sie in Gewahrsam genommen werden?
Wenn wir viele sind und unsere Ausweise zu Hause lassen, dann hat RWE keine Chance, uns Unterlassungserklärungen zu schicken. Es hat sich in der Vergangenheit bewährt, die Personalien zu verweigern. Das bespricht man am besten in seiner Bezugsgruppe. Dort wird geklärt: was kann ich mir vorstellen, bei was habe ich Angst und möchte lieber aus der Aktion rausgehen, das ist auch immer möglich.
Mittlerweile gilt in NRW das neue Polizeigesetz. Was kann das für den Protest bedeuten?
Wir sind sehr gespannt, ob die Polizei ernsthaft so blöd sein wird, das anzuwenden. Letztes Jahr bei den Protesten im Hambacher Forst ist das ja völlig nach hinten losgegangen. Ich hoffe, dass sie dieses Jahr ein bisschen vernünftiger sind und es einfach sein lassen. In der Theorie könnten sie uns sieben Tage in Gewahrsam nehmen. Es ist ein völliger Irrsinn, dass die Repression so weit hoch gedreht wird. In der Vergangenheit haben wir es eigentlich immer geschafft, dass alle schnell rausgekommen sind. Ich gehe davon aus, dass das auch dieses Jahr klappt.
Die Polizei Aachen warnt mit Videos vor den Gefahren durch Blockaden im Tagebau.
Das ist doch paradox. Wir gehen in die Grube, weil der Kohleabbau das Leben von Menschen, vor allem im globalen Süden, schon heute, und unser aller Zukunft bedroht. Und denen fällt nichts Besseres ein, als irgendwelche Botschaften zu versenden, die haltlos sind. Wir haben einen Aktionskonsens, der besagt, dass die Sicherheit aller Beteiligten oberste Priorität hat. Und das bedeutet, dass wir ganz genau wissen, was wir machen können und was wir nicht machen können, damit es sicher ist.
Wie kommt es, dass «Ende Gelände» so erfolgreich ist und sich jedes Jahr mehr Menschen an den Protesten beteiligen?
Wir haben einfach die richtige Antwort. Wir sagen, Kohleausstieg ist Handarbeit, und das wissen und fühlen einfach ganz viele Menschen. Die Bundesregierung macht einfach nichts, was dieser Klimakrise angemessen wäre. Das nehmen immer Menschen nicht länger hin und kommen deshalb diese Woche ins Rheinland.«
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