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- Mordfall Walter Lübcke
Wenn Linksradikale das Gedenken an Walter Lübcke organisieren
Ein CDU-Politiker wird ermordet und Linksradikale organisieren die Gedenkdemos: Eine paradoxe Situation - auf den ersten Blick.
Auf den ersten Blick sieht es nach verkehrter Welt aus: Ein CDU-Politiker wird ermordet und Linksradikale organisieren die Gedenkdemos während die CDU selbst größtenteils schweigt.
Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer lässt noch immer nichts von sich hören, ebensowenig CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg, nannte den Fall Lübcke in der »Stuttgarter Zeitung« lediglich »sehr ernst«, Angela Merkel sprach von »bedrückenden Nachrichten« und sprach den Angehörigen ihr Beileid aus - so, wie man es nach jedem Todesfall eines Parteikollegen tun würde.
Dass der Mord an Lübcke wieder einmal die Gefahr rechter Gewalt und rechten Terrors in aller Klarheit deutlich macht, kam in der CDU bisher nur wenigen über die Lippen. Allein Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier schlugen die gedankliche Brücke zum NSU - wobei letzterer in seinem Tweet »Lübeck« statt »Lübcke« schrieb.
Altmaier twitterte: »Das haben wir seit den NSU-Morden nicht mehr für möglich gehaltenen«. Andere sind kein bisschen überrascht von der neonazistischen Tat. Es sind diejenigen, die sich zum Teil der latenten Gefahr, selbst Opfer eines rechten Angriffs zu werden, sehr bewusst sind. Diese Menschen sind es, die nun anstelle der CDU nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten in Aktion treten.
Am Dienstag nahmen etwa 400 Menschen in Frankfurt am Main den Mord an Walter Lübcke durch einen Neonazi zum Anlass, um gegen den »gesellschaftlichen Rechtsruck« zu demonstrieren. Dazu aufgerufen hatte die antifaschistische Plattform »Frankfurt Nazifrei«. In Berlin organisierte die Interventionistische Linke (IL) eine Kundgebung mit etwa 30 Teilnehmer*innen vor der Zentrale der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Deren Vorsitzende Erika Steinbach hatte den Hass gegen Lübcke auf Twitter mit angeheizt. Bereits am Montag fand in Hamburg eine spontane Demo gegen rechte Gewalt statt, zu der laut Veranstalter*innen 700, laut Polizei 200 Menschen kamen.
»Die staatlichen Institutionen haben anscheinend keine Lehren aus dem NSU gezogen«, erklärte Timo Brym, ein Sprecher der Frankfurter Plattform, in einem Statement auf Facebook. Auch in Frankfurt hatte es seit vergangenen Herbst immer wieder Brandanschläge auf linke und alternative Projekte gegeben. Dasselbe sei in Berlin der Fall, hieß es in der Pressemitteilung der IL: »Seit Jahren wird insbesondere Neukölln von einer Anschlagserie erschüttert, mit der alle eingeschüchtert werden sollen, die sich gegen Rechts engagieren«.
Hier zeigt sich, in welchem Punkt die linken Aktivist*innen dem getöteten CDU-Politiker möglicherweise näher stehen als dessen eigene Parteikolleg*innen: Auch Lübcke setzte sich für Geflüchtete ein. Die dünnen Reaktionen aus der CDU zeigen die unterschiedliche Betroffenheit. Das bringt die Journalistin Thembi Wolf auf den Punkt, die auf »Spiegel Online« die Aussage von Innenminister Horst Seehofer (CSU) kommentiert. Der hatte erklärt, der rechtsextremistische Anschlag richte sich »gegen uns alle«. Wolf schreibt: »Das ist glatt gelogen. Ein rechtsextremistischer Anschlag richtet sich nicht gegen Horst Seehofer«. Er treffe die »Engagierten und Öffentlichen«, sowie People of Color und Migrant*innen.
Womöglich spiegelt das zahme Verhalten der CDU nach dem Mord an Lübcke eben auch ihren Aufklärungswillen in Fällen rechter Gewalt wider. Zur Stunde wird bekannt, dass Hessens Verfassungsschutz die Akte des Neonazis und mutmaßlichen Mörders von Lübcke, Stephan E., gelöscht hat.
»Die CDU verharmlost und vertuscht, statt aufzuklären und den Opfern von Naziterror zu gedenken. Das wissen wir schon seit dem NSU«, so Verena Dahmen, Sprecherin der Hamburger IL gegenüber »nd«. Es müssten jetzt endlich alle der Hetze konsequent entgegentreten, anstatt sie zu tolerieren - »bevor noch mehr Menschen sterben«.
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