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Kein Bier für Nazis
Mehrere Initiativen veranstalteten Gegenprogramm zum Neonazi-Festival / Ostritzer kaufen Bier auf
Ostritz. Mehrere hundert Menschen haben am Samstag im ostsächsischen Ostritz gegen ein Neonazi-Treffen protestiert. Das zum vierten Mal stattfindende zweitägige rechtradikale Festival »Schild und Schwert« auf dem Gelände des »Hotel Neißeblick« zog nach Angaben der Polizei am Samstag bis zu 600 Teilnehmer an. Dazu wurden etliche Bands aus der extremen Rechtsrock-Szene erwartet.
Die Kommune und zahlreiche Initiativen und Vereine reagierten mit einem Gegenprogramm. So wurden die Proteste in ein Bürgerfest zum hundertjährigen Jubiläum des Ostritzer Ballspielclubs eingebettet, auf dem Marktplatz waren unter dem Motto »Das Ostritzer Friedensfest macht Bildungsurlaub« eine Oase mit Sand, Liegestühlen und Wasserbassins aufgebaut. Prominenter Gast war der frühere Schalke-Spieler Hans Sarpei.
Mit einer Kunstaktion mit 2.262 Paar Schuhen in den Straßen des Ortes wurde an die Tausenden Menschen erinnert, die an Europas Außengrenzen ums Leben kommen. Neben den Veranstaltungen der Bürger vor Ort hatten die Initiativen »Rechts rockt nicht« und »Leipzig nimmt Platz« eine Demonstration angemeldet, an der sich nach Angaben von Polizeisprecher Torsten Jahn über 300 Menschen beteiligten.
Anders als zuvor hatten die Initiatoren des Ostritzer Friedensfestes, darunter das Internationale Begegnungszentrum St. Marienthal, dieses Mal kein eigenes Programm auf dem Marktplatz präsentiert, sondern unterstützten das Bürgerfest zum Ballspielclub-Jubiläum. Der Sprecher des Ostritzer Friedensfestes, Markus Kremser, sprach von etwa 1.000 Menschen, die sich an dem Fest und weiteren Gegenveranstaltungen beteiligten. Die Polizei sprach von mehreren hundert Teilnehmern.
Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) dankte den Ostritzern am Samstag für ihr Engagement. »Wenn Rechtsextremisten mit ihren menschenverachtenden Parolen versuchen das Bild zu bestimmen, müssen wir uns alle dagegen wenden«, sagte Kretschmer auf Twitter. Das sei wichtig, weil oft aus Worten Taten folgten.
Die Kommune hatte für das Neonazi-Festival ein absolutes Alkoholverbot erlassen. In der Folge beschlagnahmte die Polizei am Freitag nach Angaben ihres Sprechers 4.200 Liter Bier und am Samstag weitere 200 Liter. Nachdem sich der Veranstalter des Neonazi-Festivals, Thorsten Heise, drohend gegenüber einem Journalisten geäußert haben soll, werde gegen ihn ermittelt, sagte Polizeisprecher Jahn: »Wir prüfen das jetzt.« Die Polizei war mit mehreren hundert Einsatzkräften vor Ort.
Nachdem für die Veranstaltung ein Alkoholverbot verhängt worden war, hatte außerdem das Internationale Begegnungszentrums St. Marienthal (IBZ) am Samstag die Biervorräte eines Supermarktes aufgekauft.
»Wir sind froh, dass wir damit ein Zeichen setzen konnten für Bürgerengagement«, sagte der Vorstandsvorsitzende der IBZ-Stiftung, Michael Schlitt, am Sonntag im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Man habe auch damit klar gemacht, dass man in Ostritz keine Neonazis wolle.
In einer Spontanaktion kauften dann die Ostritzer laut Schlitt deutlich mehr als 100 Kästen Bier auf. Es könne ja nicht sein, dass auf dem Gelände ein Alkoholverbot gelte und dann vor dem Markt Alkohol in großen Mengen getrunken werde. »Ich denke, dass wir damit geholfen haben, das Alkoholverbot umzusetzen.« Wie teuer der Einkauf war, wollte Schlitt nicht sagen. »Das können Sie sich ja ausrechnen.«
Die Biervorräte seien nun erstmal eingelagert und sollten dann in absehbarer Zeit mit den engagierten Helfern getrunken werden. »Wir werden in Kürze ein schönes Fest feiern und die Leute zu einem kleinen Umtrunk einladen«, kündigte Schlitt an.
Bereits im April und November 2018 sowie im April dieses Jahres hatte der 2.300-Einwohner-Ort Ostritz Friedensfeste mit bis zu 3.000 Teilnehmern organisiert. Die Stadt reagierte damit auf ebenfalls jeweils zeitgleich stattfindende Festivals, zu denen mehrere hundert Rechtsextremisten aus ganz Deutschland anreisten. Agenturen/nd
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