Nachweislich Rechtsterror

Nach Geständnis im Mordfall Lübcke geht Debatte um Bedeutung der Tat weiter

Der Verdächtige hat gestanden. Und betont, er habe den Mord an Walter Lübcke allein geplant und ausgeführt. Der Befürchtung vieler Beobachter, die Justiz werde den Fall nun zu den Akten legen, trat Generalbundesanwalt Peter Frank jedoch entgegen. Die Ermittlungen würden fortgesetzt und seien weiterhin darauf gerichtet, unter anderem herauszufinden, ob »der Beschuldigte Mitglied einer rechtsterroristischen Vereinigung ist«, sagte Frank am Mittwoch in Berlin.

Außerdem betonte er vor dem Innenausschuss des Bundestages in dessen Sondersitzung zum Mordfall Walter Lübcke, die Zuständigkeit seiner Behörde sei nach dem Geständnis nicht entfallen. Dies wurde von Teilnehmern als eindeutiger Beleg für ein politisches Motiv der Erschießung des Kasseler CDU-Regierungspräsidenten Anfang Juni gewertet.

Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen der Ausschusssitzung hat Seehofer dort auch angekündigt, ein Verbot der neofaschistischen Gruppe Combat 18 zu prüfen. Stephan E. soll Kontakte zu der Gruppe unterhalten haben, die als »militärischer Arm« des in der Bundesrepublik seit dem Jahr 2000 verbotenen, international agierenden Blood-and-Honour-Netzwerks gilt. Seinerzeit wurden jedoch weder die Logos noch die organisatorischen Strukturen von Combat 18 verboten. Dies solle nun noch einmal geprüft werden, sagte Seehofer den Berichten zufolge. Auch der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) sagte laut »Zeit Online« im ebenfalls am Mittwoch zum Fall Lübcke tagenden Innenausschuss des Landtags in Wiesbaden, er setze sich für ein »zeitnahes Verbot« ein.

Beuth teilte den Ausschussmitgliedern außerdem mit, die Sperrfrist für die hessischen Geheimakten zum rechten Terrornetzwerk NSU solle herabgesetzt werden. Die Unterlagen sollen »nur noch« für 40 statt wie bisher vorgesehen für 120 Jahre unter Verschluss bleiben. Grund für diese Änderung sei ein Erlass aus dem April, dem zufolge das hessische Landesamt für Verfassungsschutz Fristen in der täglichen Arbeit kürzer setzen könne, sagte Beuth. Dies sei im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen in Hessen beschlossen worden.

Weiter betonte Beuth, die Bundesanwaltschaft sei vom Inlandsgeheimdienst über die rechtsextreme Vergangenheit von Stephan E. informiert worden. Zudem seien den Ermittlern sämtliche Akten und Informationen über den Verdächtigen angeboten worden. Die Sperrfrist gelte zudem lediglich für die Öffentlichkeit, sagte der Minister.

In Berlin sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU), mit dem Mord an Lübcke sei »ein ganz anderes Stadium des Rechtsextremismus erreicht worden«. Der Chef des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, sagte laut Teilnehmern der Ausschusssitzung im Bundestag unterdessen, er gehe nicht von einer Verschärfung der Sicherheitslage aus.

Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz mahnte, rechtsterroristische Strukturen müssten stärker durchleuchtet werden. Seine Fraktionskollegin Irene Mihalic forderte die intensive Prüfung möglicher Verbindungen von Stephan E. zum NSU. Walter Lübckes Name stand auf einer »Todesliste« des NSU.

Im bayerischen Landtag kam es derweil während eines Gedenkakts für Walter Lübcke zum Eklat: Der AfD-Abgeordnete Ralph Müller erhob sich als Einziger nicht von seinem Platz. Er tat dies erst zum Ende der rund zweieinhalbminütigen Rede von Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU). Müller sah sich angesichts der Empörung der Kollegen als Opfer einer »moralingetränkten Hexenjagd«. Sein Sitzenbleiben sei lediglich einer Unachtsamkeit geschuldet, da er gerade in einem Text gelesen habe, sagte Müller.

Unterdessen hat die Redaktion des ARD-Magazins »Monitor« am Mittwoch mitgeteilt, sie korrigiere ihre bisherige Darstellung, ein ihr vorliegendes Foto belege, dass Stephan E. im März dieses Jahres »nachweislich« an einem Treffen von neonazistischen Gruppen im sächsischen Mücka teilgenommen habe. Ein weiterer Gutachter sei zu dem Schluss gekommen, dass die »Nichtidentität« der abgebildeten Person mit Stephan E. »höchstwahrscheinlich« sei.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -