Abschiebungen mit »Herz und Härte«

Bundesrat winkt das Migrationspaket samt Geordnete-Rückkehr-Gesetz ohne Vermittlungsausschuss durch.

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Hau-ab-Gesetz hat die letzte parlamentarische Hürde genommen, Horst Seehofer kann einen weiteren politischen Erfolg verbuchen. Das Regelwerk, besser als das Geordnete-Rückkehr-Gesetz bekannt und unter Kritikern ätzend als Hau-ab-Gesetz bezeichnet, passierte am Freitagvormittag den Bundesrat, ohne wenigstens noch auf eine Strafrunde geschickt worden zu sein. Denn für eine Weiterberatung im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat fand sich keine Mehrheit in der Länderkammer. Nicht einmal auf der formellen Feststellung, dass es sich hier um ein zustimmungspflichtiges Gesetz handele, bestand das Parlament dank Union und SPD in den Landesregierungen, obwohl diese Frage für heftige Debatten gesorgt hatte, nachdem Bundesinnenminister Seehofer die Zustimmungspflicht des Bundesrates in Abrede gestellt hatte. Am Ende freilich hätte ein Zustimmungsgesetz nichts am Ergebnis geändert. Angesichts der Mehrheiten wäre wohl auch die dann nötige Abstimmung zugunsten des Gesetzes ausgegangen.

Das Geordnete-Rückkehr-Gesetz war eines von insgesamt sieben, die als Migrationspaket zur Abstimmung standen. Der Bundesrat billigte auch die übrigen sechs, so etwa das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das Asylbewerberleistungsgesetz oder das Ausländerausbildungsförderungsgesetz. Insgesamt versuchten die Befürworter unter den Ländervertretern, das Bild eines akzeptablen Gesetzeswerks mit kleineren Einschränkungen zu zeichnen. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl sprach von einer sinnvollen Verbindung von Herz und Härte, Boris Pistoruis aus Niedersachsen von Licht und Schatten, und die Staatssekretärin Kerstin Griese aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales warb für ein »Gesetz mit Herz und Verstand«. Griese lobte die Novelle des Asylbewerberleistungsgesetzes, das nicht nur die Leistungssätze anpasse, sondern auch neue Fördermöglichkeiten für Flüchtlinge in Ausbildung und Studium eröffne.

Hingegen kritisierte der thüringische Justizminister Dieter Lauinger das Gesetzespaket scharf, insbesondere das Gesetz über die beschleunigte Rückkehr. Es schaffe nur Verlierer, sagte der Grünen-Politiker - nicht nur Flüchtlinge, die als Geduldete zweiter Klasse eingestuft würden, weil man ihnen eine ungeklärte Identität vorwirft -, obwohl die Fluchtrealität häufig zum Verlust des Passes führt, ohne dass der Betroffene dafür eine Schuld trägt. Auch die Bürger dieses Landes gehörten zu den Verlierern, so Lauinger, weil auch sie die gesellschaftlichen Folgen solcher Gesetze tragen müssten. Im Asylbewerberleistungsgesetz findet Lauinger ebenfalls vor allem Kritikwürdiges. Denn neben den von Kerstin Griese genannten Möglichkeiten in Ausbildung und Studium sind neue Kürzungen vorgesehen. Sie entstehen durch die Einstufung der Flüchtlinge in Aufnahmeeinrichtungen als Schicksalsgemeinschaften analog der Bedarfsgemeinschaft bei Hartz IV. Es handele sich hier aber um Zwangsgemeinschaften, die unfreiwillig zusammen wohnen und nicht gemeinsam wirtschaften und ihre Ausgaben planen.

Lauingers Amtskollege Joachim Stamp aus Nordrhein-Westfalen sprach von einem enttäuschenden Gesetz, von Stückwert, das trotz guter Ansätze vor allem Mängel und Widersprüche enthalte. Zu den guten Ansätzen zählt, dass gut integrierten Flüchtlingen künftig ermöglicht werden soll, durch Arbeit ein langfristiges Bleiberecht zu bekommen. Dirk Behrendt, Justizsenator aus Berlin, kritisierte die Ausweitung der Abschiebehaft. Die künftig erlaubte Unterbringung ganzer Flüchtlingsfamilien in normalen Haftanstalten widerspreche der EU-Rechtsprechung deutlich. »Asylbewerber sind keine Verbrecher«, so der Grünen-Politiker, »auch abgelehnte nicht.« Die Bundesregierung habe sich sehenden Auges für ein europarechtswidriges Gesetz entschieden.

Gemessen an der Lautstärke des Widerspruchs verwunderte, wie reibungslos das Gesetzespaket anschließend die Abstimmung der Länderkammer passierte. Noch im April hatte die Justizministerkonferenz in einem offenen Brief schwere rechtliche Bedenken gegen die verschärfte Abschiebehaft deutlich gemacht. Inzwischen haben die politischen Mühlen jedoch ganze Arbeit geleistet, und die Prioritäten der Parteien in der Großen Koalition dominierten gegenüber allen Bedenken.

Auch Pro Asyl hatte noch zuletzt an die Länder appelliert, gegen die Gesetze zu stimmen. Die nach einer Entscheidung von Ministerpräsidentin Malu Dreyer absehbare Enthaltung etwa von Rheinland-Pfalz nannte die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge »unverantwortlich«. »Die Treue zur GroKo und die Rolle als Interimsspitze der SPD darf nicht über Landesinteressen und rechtsstaatliche Gesichtspunkte gestellt werden«, appellierte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Am Ende geschah genau das.

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