- Berlin
- Mietenwahninn
Hochhäuser bieten keinen preiswerten Wohnraum
Hohe Baukosten bei neuen Wolkenkratzern konterkarieren wohnungspolitische Ziele des rot-rot-grünen Senats
»Wer in Hochhäusern die Lösung für den Mangel an preiswerten Wohnungen sieht, kann nicht rechnen«, sagt Gaby Gottwald, Wohnungspolitikerin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. »Je höher, desto teurer«, so ihre Faustformel. »Hohe Wohntürme in bester Lage werden für Spitzenverdiener gebaut oder für den internationalen Jetset«, erklärt die Politikerin.
Eine noch unveröffentlichte Antwort der Stadtentwicklungsverwaltung auf eine Schriftliche Anfrage von Gottwald, die »nd« vorab vorliegt, bestärkt sie in ihrer Haltung. »Die Herstellungskosten von Hochhäusern sind in aller Regel höher als bei Häusern unterhalb der Hochhausgrenze und sie steigen mit der Gebäudehöhe, weil die Brandschutzanforderungen zunehmen und die Planungs- und Entwicklungskosten aufgrund komplexer und oft langwieriger Genehmigungsprozesse relativ hoch sind«, zitiert die Stadtentwicklungsverwaltung in ihrer Antwort aus dem von ihr beauftragten Gutachten »Immobilienwirtschaftliche Voraussetzungen, Folgen und Steuerungsmöglichkeiten von Hochhausneubauten in Berlin«, das im Rahmen der Erarbeitung des Hochhausleitbilds für die Hauptstadt entstanden ist. Die Gutachter nennen weitere Kosten- und Bauzeitrisiken für die Errichtung von Wolkenkratzern. So habe man es unter anderem mit »einer begrenzten Zahl von Baufirmen, die in der Lage sind, Hochhäuser als Generalunternehmer zu bauen« zu tun, Bauarbeiter benötigten länger zum Arbeitsort, die längere Bauzeit bedinge eine höhere Anfälligkeit für Störungen, so einige der Knackpunkte.
Als Beleg für die Hochpreisigkeit neuer Hochhäuser im Zentrum kann das Grandaire gelten, für das in der vergangenen Woche Richtfest gefeiert wurde. In dem 65 Meter hohen Wohnturm, der aus Richtung Jannowitzbrücke am Einkaufszentrum Alexa andockt, kosten die Eigentumswohnungen zwischen über 7400 und knapp 15 000 Euro den Quadratmeter. Immobilienwirtschaftlich gerechnet ergäbe das Kaltmieten ab 30 Euro aufwärts pro Quadratmeter - diese auf die Einstiegsmiete von 6,50 Euro pro Quadratmeter für Sozialwohnungen heruntersubventionieren, würde wohl den Rechnungshof auf den Plan rufen. »Der stadtpolitische Nutzen von Hochhäusern ist sehr übersichtlich«, sagt denn auch Gottwald.
An diesem Dienstag will der Senat das lang erwartete Hochausleitbild für Berlin besprechen. Es soll »konsistente und innovative städtebauliche, architektonische, gestalterische, denkmalschutzbezogene, nutzungsspezifische, erschließungstechnische sowie ökologische Standards für künftige Hochhausvorhaben im Land Berlin definieren«, heißt es in einer Antwort der Stadtentwicklungsverwaltung auf eine Schriftliche Anfrage des FDP-Fraktionschefs Sebastian Czaja von 2018. Entgegen mancher Forderungen soll das eigentlich nicht in einer Ausweitung der möglichen Standorte für solche Häuser münden, obwohl einige Stimmen aus der SPD das fordern. Die Ausweisung darüber hinausgehender Potenziale könne »ohne Eile und mit der gebotenen Sorgfalt erfolgen«, heißt es aus der Stadtentwicklungsverwaltung in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage. Mit der Benennung konkreter Standorte würden die Bodenpreise dort fast automatisch hochgehen, was aus stadtpolitischer Sicht nicht wünschenswert sein kann.
Es scheint aber Standorte zu geben, wo sich ein Hochhaus auch mit Sozialwohnungen verträgt. Die landeseigene Howoge plant einen 64 Meter hohen Wohnturm an der Frankfurter Allee 218 in Lichtenberg. Rund 390 Wohnungen sollen am Standort direkt an der Lichtenberger Brücke entstehen. Im Oktober 2018 wurde mit dem Baukonzern Porr ein Vertrag über die Realisierung des Baus geschlossen. Dabei wurden zunächst eine Kostenobergrenze und Mindestanforderungen definiert. Die konkreten Bauleistungen sollen in einem sogenannten Partnering-Verfahren gemeinsam in der laufenden Planungsphase erarbeitet werden. »Wenn wir die Wirtschaftlichkeit des Projekts nicht hätten darstellen können, hätte der Aufsichtsrat das Projekt nicht genehmigt«, sagt Howoge-Sprecherin Sabine Pentrop auf nd-Anfrage.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.