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Vertraute Gesichter, bekannte Sätze
Bernd Zeller fragt sich, warum in der TV-Sommerpause neben alten Krimis nicht auch alte Talkshows wiederholt werden
In unserem heutigen Bericht schauen wir auf die Auswirkungen der Sommerpausen und Staffelenden beliebter und wichtiger Fernsehformate wie etwa der Krimireihen und der Talkshows. Die Sender gehen offensichtlich davon aus, dass im Sommer sowieso weniger Zuschauer einschalten, weil ihnen bei der Hitze der verrückte Gedanke kommt, etwas Besseres tun zu können als fernzusehen. Darum laufen Wiederholungen, was die Zuschauer, die einschalten, vielleicht bei der Hitze gar nicht merken.
Uns soll es nicht darum gehen, ob die Sommerpausen jahreszeitlich bedingt sind oder am Klima liegen. Wiederholungen gab es früher auch schon, wir wollen aber nicht Wetter gegen Klima ausspielen. Diese Ungewissheit kann schon an der Sommerpause der Polittalks liegen, das klingt schon so nach einem zur Frage zugespitzten Thema bei Anne Will: Wetter oder Klima - was rettet uns vor der Hitze? Diese Sendungen werden nicht wiederholt, die Sendeplätze werden ersatzlos anders verwendet. Das liegt an der zuständigen Abteilung des Senders, sie hat meist »Aktuell« im Namen, da scheut man den Effekt, den es hätte, eine zwei Jahre alte Rederunde erneut zu senden. Denn fiele niemandem auf, dass es sich um eine historische Aufzeichnung handelt, wäre es genauso unangenehm für die Verantwortlichen, wie wenn es bemerkt würde und die Auffassung entstünde, dass es damals besser gewesen wäre.
Aus ähnlichem Grund wird keine aktuelle Billigvariante mit günstigeren Nachwuchsmoderatorinnen und ambitionierten Praktikanten in der Redaktion produziert, schon gar nicht mit neuen Gesichtern in der Diskussion. Darum müssen wir auf Talks verzichten mit den Sommerthemen »Arbeit oder Klima - worauf können wir verzichten?«, »Höhenflug oder Höhenrausch - Warum sind die Grünen so megacool?« oder »Talk oder nicht Talk - Wie viel Debatte verträgt unser Rechtsstaat?«
Bei den Krimireihen werden die Quotengaranten wiederholt, obwohl durchaus neue Folgen finanzierbar gewesen wären. Die Programmverantwortlichen hoffen auf die Vergesslichkeit der Massen. Allerdings drängt sich die Frage auf, ob nicht vielleicht gerade die lustigen Fernsehkrimis das Verbrechen verharmlosen und die Hemmschwelle senken, mithin einen Beitrag zur Verrohung leisten. Es wäre mal zu erforschen, ob »Mord mit Aussicht« eher zu Mord oder zu Aussicht animiert. Aber solange es keine Studien dazu gibt, unterlassen wir Spekulationen. Als Thema einer Talkshow mit Experten würde sich diese Frage indes eignen.
Leider wird nicht einmal alles, was einst beliebt war, wiederholt. Die Programmgestalter scheuen die Ausstrahlung von schwarz-weiß gedrehten Sendungen im Hauptprogramm. Gerade dies könnte zu einem Zuschauerschwund führen, da man im Internet alte Folgen der Cowboy-Serie mit Clint Eastwood oder »Der Kommissar« oder »Fragen Sie Prof. Kaul!« anschauen kann. Durch solche Vergleichsmöglichkeiten kann man feststellen, dass das Fernsehen gar nicht besser geworden ist; das Bild wurde nur breiter und der Fernseher größer.
Zu Scherzen aufgelegte Beitragszahler fragen, ob man auch die bereits gezahlten Rundfunkbeiträge als Wiederholung verbuchen könne. Das natürlich nicht. Die laufenden Kosten bleiben, die Gremien arbeiten weiter. Hingegen fällt auf, dass andere Medien die Möglichkeit zur Sommerpause nicht haben oder noch nicht ausprobiert haben. Dabei könnte es vielleicht Überraschungen bei den Verkaufszahlen geben, angenehme sogar, wenn etwa »Spiegel« und »Focus« die Titelgeschichte über Björn Engholm wiederholen würden mit dem Titelbild, wo hinter dem Engholm-Gesicht das Barschel-Gesicht montiert ist. Das wäre spannend und genau die richtige Sommerlektüre.
Nach der Sommerpause ist kein sanfter Übergang zum gewohnten Programm möglich. Wir hoffen, dass es nicht schockiert, wenn plötzlich wieder die Talkshows starten. Alle sollten in der ersten Sendung thematisieren: »Vertraute Gesichter oder bekannte Sätze - Was brauchen die Talkshows?«
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