Der Osten arbeitet länger - und verdient weniger

Auswertung der Linksfraktion im Bundestag zeigt weiterhin unterschiedliche Lebensverhältnisse in Ost und West

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Berlin. Beschäftigte in Ostdeutschland arbeiten noch immer länger als im Westen - und verdienen weniger. Im vergangenen Jahr kamen Lohnabhängige in den alten Bundesländern im Schnitt auf 1295 Arbeitsstunden. Im Osten mit Berlin waren es 1351 Stunden und damit 56 mehr. Wird Berlin zum Westen gezählt, sind es im Osten 61 Stunden mehr. Zugleich lagen die Jahres-Bruttolöhne je Beschäftigten im Westen mit 36.088 Euro um knapp 4900 Euro höher als in Ostdeutschland mit 31.242 Euro. Das ergeben Daten der Statistischen Ämter von Bund und Ländern, die die Linksfraktion im Bundestag ausgewertet hat.

LINKE-Sozialexpertin Sabine Zimmermann sagte der Deutschen Presse-Agentur, fast 30 Jahre nach der Wende halte die Spaltung am Arbeitsmarkt an. Von gleichwertigen Lebensverhältnissen könne nicht gesprochen werden. Es sei inakzeptabel, dass die Bundesregierung sich offensichtlich mit einem »Sonderarbeitsmarkt Ost« abgefunden habe. Wichtig für eine weitere Angleichung sei eine Stärkung der im Osten deutlich schwächeren Tarifbindung - besonders durch leichtere Regeln, Tarifverträge in einer Branche für allgemeinverbindlich zu erklären. Die LINKE fordert zudem eine Mindestlohn-Erhöhung auf 12 Euro pro Stunde.

Im Schnitt am längsten gearbeitet wurde im vergangenen Jahr laut Statistik in Sachsen-Anhalt mit 1373 Stunden. Es folgen Thüringen mit 1370 Stunden je Beschäftigten und Mecklenburg-Vorpommern mit 1357 Stunden. Am wenigsten Arbeitsstunden waren es demnach im Saarland (1269), in Rheinland-Pfalz (1275) und Nordrhein-Westfalen (1276) - bei einem bundesweiten Schnitt von 1305 Stunden.

Bei den Löhnen und Gehältern je Beschäftigten ist weiterhin Hamburg Spitze mit 41.785 Euro brutto im vergangenen Jahr. Es folgen Hessen (38.779 Euro) und Baden-Württemberg (37.818 Euro). Am wenigsten verdienten Beschäftigte pro Kopf in Mecklenburg-Vorpommern mit 28.520 Euro, etwas davor lagen Brandenburg (29.605 Euro) und Thüringen (29.676 Euro). Bundesweit waren es 35.229 Euro je Arbeitnehmer.

Beim Arbeitsvolumen erfasst der Arbeitskreis Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden am jeweiligen Arbeitsort - auch bei Beschäftigten mit mehreren Jobs. Nicht einbezogen werden etwa Urlaub, Elternzeit, Feiertage, Kurzarbeit oder Abwesenheit wegen Krankheit. Dabei gehe es weder um »Intensität noch Qualität der geleisteten Arbeit«. Nicht korrekt wäre es daher, von Unterschieden der »Arbeitsbereitschaft« oder beim »Fleiß« zu reden. Zu Beschäftigten zählen unter anderem Arbeiter und Angestellte, Beamte, Richter, Soldaten und Azubis.

Die Ost-West-Gegensätze zeigen sich schon seit Jahren. Dabei ist durchaus eine schrittweise Annäherung zu erkennen, auch wenn über das Tempo diskutiert wird. Arbeiteten Beschäftigte im Osten mit Berlin nun im Schnitt 56 Stunden länger als im Westen, waren es im Jahr 2000 noch 147 Stunden gewesen. Bei den Jahreslöhnen schrumpfte der Rückstand des Ostens seit 1991 von 9201 Euro auf nun 4846 Euro.

Als Hintergrund gelten vor allem strukturelle Unterschiede in Ost und West. So spielen in den Westdeutschland Minijobs mit vergleichsweise wenigen Stunden eine größere Rolle. Dazu kommen Tarif-Unterschiede. Wochenarbeitszeiten von 40 Stunden hatten im Westen noch 8 Prozent der Tarifbeschäftigten, im Osten 40 Prozent, wie eine Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung von 2017 ergab. Einfluss haben auch die Zahl der Feiertage und der Anteil von Voll- und Teilzeit.

Wie hoch Verdienste regional ausfallen, kann auch davon abhängen, ob es Firmen mit gut bezahlten Jobs gibt. Nach wie vor fehlen im Osten Konzernzentralen mit besser bezahlten Positionen. Einfluss auf die Höhe des Gehalts hat zudem die Qualifikation von Arbeitnehmern. Über die Kaufkraft sagt die Höhe der Bruttolöhne allein noch nichts aus. Dies hängt von den Lebenshaltungskosten etwa für Miete und Essen ab, die sich regional ebenfalls unterscheiden - nicht nur zwischen Ost und West.

Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland nimmt auch die Bundesregierung stärker in den Blick. An diesem Mittwoch wollen Innenminister Horst Seehofer (CSU), Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Familienministerin Franziska Giffey (SPD) Ergebnisse einer dafür eingesetzten Kommission vorstellen.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte, gibt sich unterdessen optimistisch. »Die Lohnunterschiede zwischen Ost und West werden immer geringer«, sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag). »Der größte Unterschied besteht darin, dass es im Osten praktisch keine ganz großen international tätigen Konzerne mit Hauptsitz und Forschungsabteilungen gibt.« Doch allein die Bevölkerungsentwicklung werde dazu führen, »dass im Osten der Wettbewerb um Arbeitskräfte noch intensiver wird und deren Löhne und Gehälter steigen«. dpa/nd

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