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Getötet, weil sie Frauen sind
UN-Bericht zu Gewaltverbrechen: Die meisten weiblichen Opfer wurden von Partnern, Expartnern oder anderen Angehörigen umgebracht
This is a man’s world, sang einst James Brown. Männer sind auch die meisten Opfer der 464 000 von den Vereinten Nationen weltweit erfassten Tötungsdelikten des Jahres 2017. Männer stellen zugleich 90 Prozent der Tatverdächtigen aller Fälle von Mord und Totschlag. Das konstatiert das UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) in seiner am Montag veröffentlichten globalen Studie zu Tötungsverbrechen. Die Zahl der Opfer übersteigt die jener von bewaffneten Konflikten damit um mehr als das Vierfache.
Angesichts der Gesamtzahl der erfassten Taten ist die Zahl der getöteten Frauen und Mädchen mit 87 000 vergleichsweise gering. Andererseits markieren die registrierten Fälle von Mord und Totschlag vielfach nur den dramatischen Endpunkt eines langen Leidensweges. Denn 50 000 bzw. 57,5 Prozent der erfassten weiblichen Opfer wurden von Lebensgefährten, Expartnern oder anderen Verwandten umgebracht - also von Vätern, Brüdern, Müttern, Schwestern - »wegen ihrer Rolle und ihres Status als Frau«, wie es im Bericht heißt. Häufig war ihr Tod Folge schwerer und schwerster, oft fortgesetzter Misshandlung.
Im Bericht wird betont, dass mutmaßlich rund 70 Prozent der Taten »gender related« sind, also begangen wurden, weil das Opfer eine Frau war. Der seit etlichen Jahren für solche Fälle etablierte Fachbegriff: Femizid. Ist der Partner oder Expartner der Täter, sei es meist nicht spontan zum Totschlag gekommen, schreiben die Autoren des Reports. Die Taten folgten vielfach aus einer »Gewaltspirale«. Als Motive spielten Eifersucht und Angst vor der Trennung eine wichtige Rolle. Vergleichszahlen von 2012 legten nahe, dass die Zahl der Opfer leicht steige, hieß es.
Die meisten Fälle tödlicher häuslicher Gewalt wurden in Asien erfasst. Dort verzeichnete das UNODC rund 20 000 von Partnern oder Familienangehörigen getötete Frauen. In Afrika wurden 19 000 Fälle gezählt, in Nord-, Mittel- und Südamerika zusammen 8000, in Europa 3000 und in Ozeanien 300. In Relation zur Einwohnerzahl sind Frauen in Afrika am stärksten gefährdet, während sie in Europa vergleichsweise sicher leben.
Die Gewalt gegen Frauen resultiere oft aus stereotypen Ansichten zur vermeintlichen Vorherrschaft des Mannes, heißt es im Bericht. Wer glaube, der Mann habe das Recht auf Sex oder das Recht, die Frau zu dominieren, neige eher zu Gewalt. Geringe Bildung, eigene Erfahrungen mit Misshandlung in der Kindheit oder das Erleben von Gewalt gegenüber der Mutter, Alkohol- und Drogenkonsum seien Gewalt begünstigende Faktoren.
In Indien sind sogenannte Mitgiftmorde weiter an der Tagesordnung, obwohl die »Dowry« genannte Zahlung, die die Familie der Braut bei einer Heirat traditionell an die des Bräutigams leisten muss, seit langem offiziell verboten ist. Laut Bericht starben in dem Land 40 bis 50 Prozent weiblichen Verbrechensopfer, weil die Mitgift nicht den Erwartungen des Mannes oder seiner Familie entsprach. Häufig werden sie verbrannt. Viele Fälle werden nie aufgeklärt.
In vielen Ländern werde Gewalt gegen Frauen oft gar nicht angezeigt, konstatieren die Autoren der UN-Studie. Überlebende zögerten aus Furcht, nicht die Täter, sondern sie selbst würden für sexuelle Gewalt verantwortlich gemacht.
Frauenfeindliche Gewalt ist unterdessen auch in vermeintlich hoch entwickelten Staaten bitterer Alltag. So wurden 2017 in der Bundesrepublik 141 Frauen von ihrem Partner bzw. Expartner getötet. Das geht aus der Statistik des Bundeskriminalamts (BKA) zu »Partnerschaftsgewalt« hervor. Auch 32 Männer wurden von ihrer Partnerin oder ihrem Partner umgebracht. Insgesamt verzeichnete das BKA in dem Jahr knapp 139 000 Opfer von Mord und Totschlag, Gewalt, sexuellem Missbrauch, Stalking und Zwangsprostitution. Von ihnen waren 82 Prozent (114 000) Frauen und Mädchen. Mit Agenturen
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