Mufflons flüchten aus den Wäldern

Jäger im Harz beklagen, dass Wölfe und Luchse den Bestand der Tiere massiv reduzieren

  • Uwe Kraus, Ballenstedt
  • Lesedauer: 4 Min.

Dass Mufflons im Mittelpunkt des Verkehrsfunks stehen, verwundert viele Autofahrer im Ostharz. Karl-Friedrich Kaufmann gehört nicht zu ihnen. Als Vorstandsmitglied der Landesarbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer kann er ein Lied davon singen. »In solchen Angstrudeln schließen sich oft 150 bis 200 Tiere zusammen. Wenn die auf einem Feld unterwegs sind, hat der Landwirt die Schäden. Es bleibt nicht aus, dass sie auch wie bei uns in Ballenstedt mal auf der Straße unterwegs sind.«

Besonders der Luchs macht den Mufflons Angst. Die Jägerschaften des Harzes registrieren, dass seit der »Einbürgerung« der Pinselohren im Jahr 2000 die Population auf 90 stieg. Dagegen reduzierte sich die Zahl der Mufflons seither dramatisch. Auch wenn nach einem Appell des Harzer Kreisjägermeisters Holger Pieger kaum noch auf weibliches Muffelwild angelegt wird, sei das Muffelwild im Nord- und Südharz bis auf rund 20 Tiere bei Stiege quasi ausgerottet, die Zahl der Tiere im Ostteil habe sich auf ein Fünftel verkleinert. Um diese etwa 500 Tiere fürchtet die Jägerschaft nicht nur wegen der Luchse, sondern auch wegen des anderen Beutegreifers, der sich im Harz breit macht: Der Wolf ist nach Ansicht der Harzer Landwirte und Jäger auch im Harz zu einem politischen Problem geworden.

Einstimmig sprechen sich die 1500 Mitglieder der Jägerschaften zwischen Sangerhausen, Wernigerode und Quedlinburg dafür aus, Luchs- und Wolfsbestände zu reduzieren. Karl-Friedrich Kaufmann sieht darin wie seine Jagdgenossen ein Gebot der Erhaltung eines gesunden und artenreichen Wildbestandes. Noch bis vor zehn Jahren streiften Tausende Mufflons durch die Region. Sie galten als Besuchermagnet und »jagdkulturelles Kleinod«, wie in einer Wildausstellung auf Schloss Ballenstedt zu lesen ist. Heute erleben Touristen Muffelwild auf dem Acker - der Flucht aus den Wäldern geschuldet. Die Mutterschafe brachten in den letzten Jahren - wie bei Meisdorf unterhalb des Falkensteins - ihre Lämmer auf Feldern zur Welt. »Doch wenn wir die Herden betrachten, finden wir dort wenig Lämmer und Schmalschafe, sondern zumeist Widder. Der Luchs holt sich vorwiegend die nicht so starken Tiere«, so Kaufmann. Für die Argumente der Naturschützer, Mufflons seien Neozoen, also eine eingeschleppte Art, haben die Jäger nichts übrig. Ein Hamburger Großkaufmann beauftragte 1906 einen Förster, rund 30 auf Korsika und Sardinien beheimatete Schafe im Harz auszuwildern. Sie gelten als eine der ältesten Populationen in Deutschland und reinrassig.

Lange mangelte es ihnen an natürlichen Feinde, der letzte Wolf soll 1798, der letzte Luchs 1817 geschossen worden sein. Mit deren Rückkehr im vergangenen Winter habe man auch fünf Wölfe registriert. Es sei eine Frage der Zeit, dass die sich paaren. Experten kennen außer dem Ostharz kein Gebiet weltweit, in dem Wildschafe und Luchse zusammen leben. Die Mufflons gelten eher als Sprinter und werden »beim Luftholen« in ihrer Schockstarre ein Opfer der Luchse. Am ehesten haben die Mufflons an den steilen Wänden des Selke- und Bodetals Überlebenschancen. Doch einem Wolfsrudel haben selbst die Widder mit ihren starken Hörnern wenig entgegenzusetzen.

Die großen Beutegreifer Luchs und Wolf wieder anzusiedeln und unter Schutz zu stellen, sei ein Eingriff der Menschen in den Naturhaushalt, so Kaufmann. Es sollten Lösungen gefunden werden, durch die sowohl Isegrim als auch die Mufflons geschützt werden. Wolfsromantik betrachten Betroffene als fehl am Platz, der Wolf ist nicht vom Aussterben bedroht.

Der Harzer Bauernverband findet, der Wolf habe in dicht besiedelten Regionen Deutschlands nichts zu suchen, auf Truppenübungsplätzen und in stillgelegten Tagebaustandorten jedoch durchaus seine Daseinsberechtigung. Karl-Friedrich Kaufmann sagt es deutlich: Die Jägerschaften wollen im Gebirge keine Wölfe. Im Herbst beginnt dort die große Unterschriftenaktion »Harz wolfsfrei« Auch im bundespolitischen Raum sieht Kaufmann Bewegung. Schließlich gehe es nicht um die Ausrottung, sondern um eine Bestandsregulierung. Das funktioniere in Schweden, Frankreich oder der Slowakei und Estland. Erst kürzlich hatte der Bautzener Landrat Michael Harig auf einem Symposium in der Harz-Kreisstadt Halberstadt beklagt, dass in seinem Landkreis mehr Wölfe unterwegs seien als in ganz Schweden.

Nicht nur die Jäger und Nutztierhalter machen unterdessen im Harz mobil. Ornithologen kritisieren, dass Unsummen für die Wolfsforschung ausgegeben werde, aber viele übersehen, dass es noch andere Tiere gibt: Um den Auerhahn, quasi der Harzer Nationalvogel, aber auch um Hasel- und Rackelhuhn stehe es schlecht.

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