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Seehofer beißt auf Granit
EU-Innenminister folgen der Initiative zur Verteilung geretteter Flüchtlinge nicht
Das Drama der Seenotrettung im Mittelmeer zwingt die EU-Staaten zum Handeln. Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte für ein »Bündnis der Hilfsbereiten« geworben, das gerettete Schiffbrüchige aufnehmen soll. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) trug die Idee eines Notfallmechanismus, der in einem Vorschlag mit Frankreich enthalten ist, nun am Donnerstag in Helsinki vor. Das dortige Treffen der EU-Innenminister kam jedoch zu keinem Ergebnis. Erreicht werden soll, dass im Fall einer Seenotrettung der Verbleib der Flüchtlinge bereits feststeht. Das Einlaufen in die Häfen von EU-Ländern soll so ermöglicht werden. Dafür braucht es aber eine Anzahl von Ländern, die zur Aufnahme bereit sind.
Nach einem Treffen mit seinen Amtskollegen aus Italien und Malta zeigte Seehofer Verständnis für die schwierige Rolle der beiden Länder an den EU-Außengrenzen. Er konstatierte Gemeinsamkeiten und zählte die Bekämpfung von Schleusern und die Intensivierung der Zusammenarbeit mit Ländern außerhalb der EU dazu. Auch dürfe man keine neuen »Pull-Faktoren« schaffen, also Anreize für die Migration über das Mittelmeer. Die Seenotrettung ziviler Helfer zählte Seehofer dazu.
Deren prominente Vertreterin Carola Rackete, die als Kapitänin der »Sea-Watch 3« im sizilianischen Agrigent vor Gericht erscheinen musste, appellierte erneut an die EU, gerettete Flüchtlinge aufzunehmen. Ialiens Innenminister Matteo Salvini hatte sie wiederholt als Kriminelle und Piratin bezeichnet.
An einer Zusammenarbeit mit Drittländern außerhalb der EU wird intensiv gearbeitet; sie wird ergänzt durch eine Aufgabenerweiterung der EU-Grenzschutzbehörde Frontex. Den ersten Einsatz von Frontex-Beamten an der Grenze eines Drittstaates, nämlich an der albanisch-griechischen Grenze, wertet die Bundesregierung schon zwei Monate nach Beginn als Erfolg. Die Operation trage dazu bei, Albaniens Behörden auch bei Rückführungsmaßnahmen zu unterstützen und an die EU-Standards heranzuführen, heißt es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der LINKEN im Bundestag. 66 Grenzschützer aus zwölf EU-Staaten sind im Einsatz, darunter elf deutsche.
Die neuen Frontex-Einsätze seien Ausdruck einer »Vorverlagerung der Festung Europa«, kritisierte der LINKE-Abgeordnete Andrej Hunko. Sie könnten in einigen Jahren auch in Tunesien, Ägypten und womöglich auch in Libyen stattfinden. Länder, die nicht über funktionierende Asylsysteme verfügten.
Aus der Antwort der Regierung geht auch hervor, dass von den 10 200 Flüchtlingen, deren Aufnahme aus humanitären Gründen zugesagt wurde, über die Hälfte noch nicht in Deutschland angekommen ist. Das gilt auch für die Hälfte von 600 besonders gefährdeten Migranten aus Libyen. Mit Agenturen Kommentar Seite 8
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