Immer mehr Saft aus der Sonne

Der Ausbau der Photovoltaik hat unter Rot-Rot-Grün Fahrt aufgenommen, das Tempo muss aber noch steigen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.

»Seit 2017 gehen die Installationszahlen bei Solarenergie ganz deutlich nach oben. Das ist ein klarer Erfolg für unsere Stadtwerke und für Rot-Rot-Grün«, freut sich Michael Efler, energiepolitischer Sprecher der Linksfraktion. Das geht aus Antworten des Senats auf mehrere Schriftliche Anfragen des Politikers hervor, die »nd« vorab vorliegen. Demnach verdoppelte sich die Anzahl der pro Jahr neu installierten Photovoltaikanlagen von 2016 auf 2017 auf 648 Stück, die neu angeschlossene Leistung vervierfachte sich sogar knapp auf elf Megawatt. 2018 gingen die Zahlen jedoch wieder zurück. Hinzu kamen knapp 500 Anlagen mit acht Megawatt Leistung. Efler vermutet, dass das mit einem 2017 abgearbeiteten Großauftrag der landeseigenen Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) für die Berliner Stadtwerke zusammenhängt. Er rechnet damit, dass die Zahlen wieder steigen werden.

»Die Installationszahlen sind aber noch lange kein Grund, sich auszuruhen«, sagt Efler. Berlin habe ein Solarenergiepotenzial von rund fünf Gigawatt. »Wenn jedes Jahr nur zehn Megawatt hinzukommen, dann wäre das Potenzial erst in 500 Jahren ausgeschöpft«, so der Abgeordnete. Auf die Stadtwerke lässt er aber nichts kommen: »Man sieht, dass die Stadtwerke der Treiber sind, wenn sie in kurzer Zeit einen Anteil von acht Prozent der installierten Gesamtleistung erreicht haben.« Die Stadtwerke seien sogar für rund 40 Prozent der Neuinstallationen verantwortlich. »Es müssen aber noch mehr Akteure dazukommen«, fordert Efler. Die großen Energieversorger wie die Gasag und Vattenfall müssten sich mehr engagieren, findet er. Lob gibt es dafür für die Genossenschaft BürgerEnergie Berlin, die in Neukölln gerade ihr erstes Mieterstrom-Solarprojekt auf den Weg gebracht hat. »Wenn Berlin Solarhauptstadt werden will, dann müssen sich alle engagieren«, so Efler.

Sorgen machen ihm die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Die Installationszahlen sind dort heruntergegangen, immerhin die geplanten Projekte sind etwas mehr geworden. »Aber die Gesobau hat überhaupt keine Projekte mehr, obwohl im vergangenen Jahr noch zwei Megawatt geplant waren«, wundert sich Efler. Eine Ausnahme ist die berlinovo. Das aus dem vom Land zurückgekauften Immobilienfonds der skandalumwitterten Bankgesellschaft Berlin hervorgegangene Unternehmen hat die Stadtwerke beauftragt, bis 2021 an 100 Gebäuden in Marzahn-Hellersdorf rund 11 000 Solarmodule zu installieren. Der erzeugte Strom soll den Angaben zufolge für 4300 Haushalte reichen.

In den Bezirken stellt sich die Lage nach wie vor sehr durchwachsen dar. Nach dem Vorreiter Lichtenberg haben in der Zwischenzeit auch Marzahn-Hellersdorf und Tempelhof-Schöneberg Verträge mit den Stadtwerken für Mieterstrom aus Solarzellen auf ihren Dächern geschlossen. Auf zehn Schulen und einem Verwaltungsgebäude wurden oder werden die Paneele in den zwei Ostbezirken dieses Jahr installiert. Neun weitere Schulen und ein Bürogebäude in Friedrichshain-Kreuzberg und in Tempelhof-Schöneberg sollen dieses oder nächstes Jahr solarisiert werden.

»Drei weitere Bezirke wollen demnächst Verträge mit den Stadtwerken abschließen, Mitte prüft noch«, weiß Efler. Als »Problemfälle« bezeichnet er Pankow und Treptow-Köpenick. 135 Dächern in dem Südostbezirk sei in einer ersten Prüfung eine mögliche Eignung bescheinigt und die Ausrüstung von 111 davon mit Solartechnik auch als wirtschaftlich tragfähig angesehen worden. »An mehreren Gebäuden des Bezirksamtes durchgeführte Überprüfungen haben ergeben, dass die wirtschaftliche Darstellbarkeit einer Installation von Photovoltaikanlagen, entgegen den Ergebnissen der Potenzialanalyse, unter den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen oftmals nicht gegeben ist«, antwortete das Bezirksamt Treptow-Köpenick schließlich auf Eflers Frage, was daraus geworden sei.

»Mögliche Voraussetzungen wurden durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen bei der Prüfung der Bauplanungsunterlagen (BPU) aus Kostengründen gestrichen«, heißt es aus Pankow über 2018 errichtete Neubauten. Aus diesem Grunde wurden dort, wie auch in allen anderen Bezirken keine Solarzellen installiert. Die Grünen hatten auf ihrem Parteitag im April kritisiert, dass das Schulbauprogramm weitgehend photovoltaikfrei realisiert werden soll.

In der vorigen Woche haben die BIM und die Stadtwerke bekanntgegeben, bis 2023 jährlich eine Megawattstunde Solarleistung auf den Dächern des Landesimmobilienbetreibers zu installieren. »Das ist mit Abstand die ambitionierteste Planung bei den öffentlichen Betrieben«, sagt Efler. »Die Kooperation der beiden Landesgesellschaften wird einen maßgeblichen Beitrag für das Erreichen der klimapolitischen Ziele der Stadt Berlin leisten«, sagte Klaus Gendner, Geschäftsführer der Berliner Energiemanagement GmbH, einer Tochterfirma der BIM.

Efler lobt die »intensiven Pläne« der Wasserbetriebe, der Muttergesellschaft der Stadtwerke, sagt aber auch: »Diese Pläne hatten sie schon letztes Jahr.« Auch Unternehmen wie die Berliner Verkehrsbetriebe oder die Stadtreinigung könnten in seinen Augen mehr Engagement an den Tag legen.

Die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg steht dabei vor besonderen Herausforderungen. Die Nutzung von Solarenergieträgern sei wegen Sicherheitsbestimmungen, die die Vermeidung von Reflektionen für startende und landende Flugzeuge vorsehen »nicht ohne Weiteres möglich«, heißt es. »Eine Machbarkeitsstudie zur Installation von reflektionsarmen PV-Anlagen auf Gebäuden am Flughafen BER ist beauftragt«, erklärt die Gesellschaft.

Positiv überrascht ist der Klimapolitiker vom »signifikanten Fortschritt« bei den Photovoltaik-Vorhaben der Hochschulen. Zwölf Dächer sollen in den nächsten Jahren dazukommen. Bisher verfügt nur die Humboldt-Universität über einige Solarzellen. Das hängt damit zusammen, dass in den neuen Hochschulverträgen die Institutionen zur »nachhaltigen Nutzung der Gebäude« verpflichtet wurden.

»Wir sind mit dem Ausbau der Solarenergie in der Hochlaufphase«, konstatiert Michael Efler. Berlin müsse dringend die Photovoltaik vorantreiben, da Windenergie in Städten nur schwierig nutzbar sei. Er hofft, dass der Masterplan Solarcity weiteren Schwung in den Ausbau bringt. Das seit 2018 in Erarbeitung befindliche Konzept soll die Wirtschafts- und Energiesenatorin Ramona Pop (Grüne) noch diesen Sommer vorlegen. »Denn noch kommen wir dem Anspruch, viel stärker Klimaschutz in Berlin zu betreiben, nicht ausreichend nach«, sagt der Politiker.

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