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Schmeiß den Kühlschrank aus dem Fenster!
Auch die Punkszene war Teil des Patriarchats: Die legendären Alben der feministischen Punkrockband Team Dresch wurden wiederveröffentlicht
Man kann, wenn man heterosexuell, männlich, weiß und damit - hurra - nicht so unterdrückt ist wie die anderen, wohl nur abstrakt nachvollziehen, welche Bedeutung die Musik von Team Dresch in den Neunzigern für queere Hörer*innen hatte. Man sitzt irgendwo in der Provinz, mit dem leider wirklichkeitsadäquaten Gefühl, dass das Leben, das für einen vorgesehen ist, nicht das richtige sein wird. Weil man nicht lieben will, wie und wen man lieben soll, wenn es nach denen geht, die die Normalität repräsentieren. Selbst die Außenseiter-Territorien, in denen man eigentlich hoffen könnte, anders sein zu dürfen, sind in weiten Teilen Penisparaden. Auch die Punkszene war, bei allem, was in Geschlechterfragen besser und freier lief als anderswo, Teil des Patriarchats und nicht seine gelebte Negation.
Und dann hört man als Mensch mit einem angeblich falschen Begehren zufällig, übers US-amerikanische College-Radio zum Beispiel, das Stück »Fagetarian and Dyke«, den Opener des 1995 erschienenen Team-Dresch-Debütalbums »Personal Best«. Eine Explosion. Einer dieser Songs, die in zehn Sekunden von Null auf Hundert gehen: Sturm-und-Drang-Gitarre, kurze Strophe, zwei Frauen springen auf die Distortion-Pedale, und von da an ist man für die knappe halbe Stunde, die die Platte dauert, auf. Donna Dresch (ich weiß nicht, was mir besser gefällt, die Vorstellung, dass das ein Künstler- oder ein bürgerlicher Name ist, deswegen schaue ich nicht nach) spielt Gitarre und ihre Bandkolleginnen Kaia Wilson und Jody Bleyle adressieren eine namenlos bleibende Frau: »Well, how do I do, not good, fuck me/I spent the last ten days of my life not getting any sleep/Well, how do I do, I don’t, fuck you/I spent the last ten days of my life searching for you«. Und das »you« in einer Weise gesungen, dass man spürt, es ist ernst.
Gegründet 1993 in Portland, Oregon, waren Team Dresch für fünf Jahre, in denen sie zwei Alben und eine Reihe Singles aufgenommen haben, eine der wichtigsten Bands im damals sogenannten Riot-Grrrl-Genre und die einschlägigsten Vertreterinnen dessen, was damals Queercore hieß. Also Punkbands, deren Songs vom queeren Leben und lesbischem Begehren erzählten und identifikationsstiftend waren für die, denen Pop und Punk bis dahin keine wirklichen Identifikationsangebote gemacht hatten.
Man kann die Bedeutung, die Team Dresch für die überschaubare, aber äußerst umtriebige Queercore-Szene hatten, kaum überschätzen. Die Band war ein Knotenpunkt für eine der wichtigsten Strömungen in der Gitarrenmusik der 90er Jahre: Donna Dresch gründete das Fanzine »Chainsaw« und das Label Chainsaw Records, auf dem die ersten beiden Sleater-Kinney-Alben erschienen. Das Label der Bassistin Jody Bleyle, Candy-Ass Records, wiederum veröffentlichte den legendären Sampler »Free to Fight - Self Defense For Women And Girls«, inklusive Booklet mit Selbstverteidigungstipps. Dazu kamen weitere Fanzines und zahllose selbstorganisierte Konzerte - Szenearbeit.
Man kennt die Gewohnheit, Musik von Bands, die primär als politisch wahrgenommen werden, gleichsam funktional zu hören: Songs als Träger von Ideen. Team Dresch haben kürzlich »Personal Best« und ihr zweites Album »Captain my Captain« wiederveröffentlicht, dazu noch die programmatisch betitelte Compilation »Choices, Chances, Changes«. Die Reissues ermöglichen es, noch einmal genau nachzuhören, mit was für einer musikalischen Energie das, worum es in diesen Songs geht, seine formale Entsprechung findet. Punkrock ohne Kraftprotzerei und trotzdem in einer Tonalität, dass man vor lauter Aufgepeitschtsein den Kühlschrank aus der Wand reißen und aus dem Fenster schmeißen möchte. Es ist nicht nur der Text: Ideen wie Selbstermächtigung und die Abkopplung von denen, die einen ins schlechte Bestehende einpassen wollen, sind bereits in der Musik präsent.
Team-Dresch-Songs erzählen radikaler noch als die anderer Bands vom beschädigten Leben. Und davon, wie man es vielleicht zumindest graduell hinter sich lassen kann. Wie Augen öffnend muss ein Song wie »Uncle Phranc« zum Beispiel für eine High-School-Schülerin gewesen sein, die nicht mit Männern, sondern mit Frauen schlafen möchte, aber genau weiß, dass der Preis familiäre und soziale Ächtung sein wird? »My mom says she loves me, but I don’t think it’s love/Cause she only loves me, when I act just like she does«, heißt es in einer Strophe. Und wie potenziell lebensrettend sind plausible Versprechen auf Ausbruch im Refrain,wenn man an einem Ort lebt, wo es unmöglich ist, ohne Angst verschieden zu sein: »But I can choose my own family«.
Und an diesem Punkt ist dann doch ein universaler Moment in dieser Musik zu finden, den man auch als relativ Privilegierter noch unmittelbar, am eigenen Körper, nachvollziehen kann: Das Beschädigte und die Möglichkeiten des Gelingens durchdringen einander in diesen Songs. Das ist vielleicht der eigentliche affektive Kern dieser Musik.
Im Juni dieses Jahres hat die Band überraschend ihre erste neue Single nach 19 Jahren Pause veröffentlicht. Seit einigen Monaten spielt die Gruppe auch wieder Konzerte in den USA. Für den Herbst sind mehrere Auftritte angekündigt, unter anderen Terminen auch einer in New York.
Team Dresch: »Personal Best«
Team Dresch: »Captain My Captain«
Team Dresch: »Choices, Chances, Changes - Singles & Comptracks 1994- 2000«
(Jealous Butcher Records)
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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