Die Regenbogenstadt mit Leben füllen

Senatsverwaltung für Antidiskriminierung stellt neuen Maßnahmenplan für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt vor

  • Vanessa Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Regenbogenfahnen in den Fenstern des Café Ulrichs in der Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße nahe dem Nollendorfplatz in Schöneberg sind schon von weitem zu erkennen. Dass Dirk Behrendt (Grüne), Senator für Antidiskriminierung, die Gaststätte der Berliner Aidshilfe wählte, um hier am Mittwoch den neuen Maßnahmenplan der Initiative »Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt« vorzustellen, ist sicher kein Zufall. Die ehemalige Einemstrasse wurde erst vor wenigen Jahren in Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße umbenannt. Ihr Namensgeber, der von 1825 bis 1895 lebte, gilt als Vorkämpfer für die Rechte von Homosexuellen. Bereits einen Tag zuvor hatte der Senat den Maßnahmenplan der Initiative für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt (IGSV) beschlossen. Die Initiative war bislang als ISV bekannt, in der Neufassung wird zusätzlich zur sexuellen auch die geschlechtliche Vielfalt im Titel erwähnt. In den partizipativen Ausarbeitungsprozess waren laut Behrendt in den vergangenen Monaten verschiedene Gruppen der Berliner LSBTI-Community, ebenso wie die Senatsverwaltung für Justiz eingebunden. Der fertige Maßnahmenplan wird nun dem Abgeordnetenhaus zur Kenntnisnahme zugeleitet. Danach müsse man »die Regenbogenstadt mit Leben füllen«, so Behrendt.

»Berlin ist mit der LSBTI-Politik in vielen Bereichen Vorreiterin«, erklärte Behrendt zur Vorstellung des Maßnahmenkatalogs. »In Lebensbereichen, die besonders trans- und intergeschlechtliche Menschen betreffen, besteht jedoch noch großer Nachholbedarf«, so Behrendt weiter. Wichtige Gesetzesänderungen stünden hier noch aus. Hierzu gehörten etwa ein Verbot von geschlechtsverändernden Maßnahmen an intergeschlechtlichen Säuglingen oder das Ersetzen des sogenannten Transsexuellengesetzes durch ein Selbstbestimmungsgesetz.

Daneben sei das Thema LSBTI-Geflüchtete in den vergangenen zehn Jahren immer wichtiger geworden. Gleiches gelte für Intersektionalität, also Mehrfachdiskrimierung, »wenn eine Person nicht nur lesbisch, sondern auch schwarz oder muslimisch ist«, erklärte Behrendt. Neun Handlungsfelder mit insgesamt 92 Maßnahmen sieht der neue Plan vor. Dazu gehören die Bekämpfung von Gewalt und vorurteilsmotivierter Kriminalität. Die Fallzahlen, so Behrendt, »sind hier immer noch zu hoch.« Man wolle deshalb in den nächsten Jahren auf schulische Gewaltprävention setzten. Auch in Justizvollzugsanstalten sollen Sensibilisierungsmaßnahmen, sowie Ansprechpersonen für LSBTI-Personen etabliert, Öffentlichkeitsarbeit weiter gefördert und Sportvereine darin unterstützt werden, sich gegen Homo- und Transfeindlichkeit einzusetzen.

Auch das Thema Pflege und Alter spielt im neuen IGSV eine Rolle. »Ältere LSBTI-Personen treffen in Einrichtungen der Altenhilfe auf Strukturen, die nichts mit ihren Lebensrealitäten zu tun haben«, heißt es in dem 56-seitigen Dokument. Fachkräfte und Einrichtungen sollen zukünftig besser qualifiziert werden, LSBTI im Alter sichtbarer gemacht und Fachstellen eingerichtet werden. Im Stadtbild sollen wichtige Berliner Persönlichkeiten der LSBTI-Emanzipationsbewegung der letzten 100 Jahre erkennbarer gemacht und die Dokumentation queerer Geschichte gestärkt werden. Die Umbenennung von Straßen ist dafür nur ein Beispiel. Zudem will Berlin die rechtliche Gleichstellung von LSBTI-Personen bundesweit vorantreiben. So hat der Senat etwa eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, mit der Personen, die von 1949 bis 1994 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen nach Paragraf 175 verfolgt wurden, entschädigt werden.

In den kommenden Jahren gibt es also viel zu tun. Die nächsten Tage wird die Stadt aber erst einmal in Regenbogenfarben leuchten, etwa am Alexanderplatz.

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