- Politik
- Ramona Gehring
Den Drohungen folgte der Anschlag
Durch Zufall wurde bei dem Attentat auf die sächsische LINKE-Politikerin Ramona Gehring niemand verletzt
Die Zittauer Stadträtin der Linkspartei, Ramona Gehring, klingt gefasst, als sie von der vergangenen Nacht erzählt. Gegen 23.30 Uhr sah sie einen orangefarbenen Blitz. Ein ohrenbetäubender Knall folgte, Scheiben splitterten, es entwickelte sich Rauch. Lokalmedien schreiben, sogar in der Nachbargemeinde habe man die Explosion noch gehört.
Gehring stand im Nebenzimmer, als der Anschlag verübt wurde. Sie wollte schlafen gehen und rauchte eine Zigarette am Fenster. »Meine Nachbarin hat geheult, als sie runter kam. Sie war völlig aufgelöst, viel mehr als ich«, berichtet die Politikerin, die dem noch nicht konstituierten neuen Kommunalparlament nicht mehr angehört.
Gehrings Enkel schlief sonst in dem Zimmer, vor dem der Sprengkörper detonierte. Durch Zufall war er nicht im Raum, niemand wurde verletzt. Der polizeiliche Staatsschutz ermittelt, wie schwer mögliche Personenschäden gewesen wären. Für das spätere Strafmaß sei das entscheidend, sagt eine Polizeisprecherin.
Gehring zählt die Schäden auf: »Die linken Fenster hat es komplett rausgebrochen, sogar die Holzrahmen sind kaputt. Und bei dem anderen Fenster ist das Oberlicht kaputt, und die Außenscheibe hat's komplett zerlegt.« Die Explosion hat Dreck und Staub im Zimmer hinterlassen. Nur ein Papierfetzen sei von dem Sprengkörper übrig geblieben, sagt die Stadträtin.
Die Polizei sei schnell da gewesen. »Heute nahmen sie die kaputten Fenster für Untersuchungen mit«, so Gehring. Die Scheiben wurden notdürftig geflickt - damit nicht nochmal was reingeworfen wird. Sie wohnt im Erdgeschoss. Gehring vermutet, dass der Böller einfach auf das Fensterbrett gelegt und dann gezündet wurde. »Man sieht hier ab und zu solche Polenböller oder solche Kugelbomben«, sagt Ramona Gehring. Nur, so eine Explosion wie letzte Nacht habe sie noch nicht erlebt.
Immer mal wieder habe es Drohungen gegeben. Ein Unbekannter schrieb auf Facebook: »Wir beobachten dich, wir wissen, was du machst.« Auch in einer lokalen Facebook-Gruppe wurde Gehring von einem Nutzer belästigt, der wurde vor wenigen Tagen aus der Gruppe geworfen.
Staatsschutzbeamte rieten der Politikerin, ihren Facebook-Account zu sperren und keine privaten Bilder hochzuladen. Gehring wundern die Ratschläge: »Das mache ich grundsätzlich nicht, da wird man nirgends was von mir finden - also weder über meine Familie noch über meine Kinder. Die habe ich immer auf Facebook rausgehalten.«
Weil die Betroffene Politikerin ist, ermittelt die Soko Rex vom sächsischen Terror- und Extremismusabwehrzentrum. Eine politische Motivation könne derzeit nicht ausgeschlossen werden, heißt es. Eine Polizeisprecherin sagt, dass Drohungen vor der Landtagswahl, die am 1. September stattfindet, angestiegen seien. Bereits vor der Kommunalwahl sei das spürbar gewesen. »Dementsprechend sensibel sind wir auch, und reagieren natürlich sofort.«
In Zittau und Umgebung ist die rechte Szene gut organisiert. »Der Verein ›Ein Prozent‹ ist hier sehr aktiv, vor kurzem waren hier auch die Identitären und die AfD ist in den Stadtrat eingezogen«, so Gehring.
Im nahen Ostritz fand kürzlich ein großes Neonazi-Konzert statt. Gehring war bei den Protesten und schrieb einen Text darüber. »Vielleicht fanden die das nicht so cool«, sagt sie. Der Veranstalter des Festivals ist ein Vertrauter von Combat 18. Der bewaffnete Arm des verbotenen Neonazi-Netzwerks Blood and Honour hat einen Ableger in Ostsachsen, die Brigade 8. Die Gruppe veranstaltete zuletzt konspirative Konzerte, an denen auch militante Neonazis teilnahmen.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!