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Atomarer Naher Osten
Am Golf droht die Eskalation. Angetrieben wird sie von einer neuen Generation machthungriger Kronprinzen.
Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate stehen kurz davor, die ersten Atomkraftwerke ans Netz zu schließen. Entscheidende Unterstützung erhalten sie dabei aus den USA. In diesem Jahr wurde publik, dass die Trump-Administration - ohne Zustimmung des Kongresses - mehrere Lizenzen an US-amerikanische Firmen erteilte, die den Verkauf nuklearer Technologie an den Golf ermöglicht. Dass sie dabei nur friedliche Absichten verfolgt, ist zu bezweifeln: Die drohende Konfrontation mit Iran ist ein treibender Faktor. Im vergangenen Jahr sagte der saudische Kronprinz Mohammed Bin Salman in einem Interview mit dem amerikanischen Sender CBS, dass er sich durchaus vorstellen könnte, Atomwaffen zu entwickeln, um den »Hitler« des Nahen Ostens - damit meinte er den iranischen Religionsführer Ali Khamenei - zu bekämpfen. Es ist ein Kampf, der tatsächlich schon in vollem Gange ist: Zusammen mit seinem engsten Verbündeten, Mohammed Bin Zayed, Kronprinz der Vereinigten Arabischen Emirate, führt er einen brutalen Stellvertreterkrieg gegen Iran in Jemen.
Die Golfstaaten sind zwar für waghalsige Projekte der Superlative bekannt. Doch dass sich etwa die Vereinigten Arabischen Emirate an einem Krieg beteiligen, wäre vor ein paar Jahrzehnten, etwa unter Scheikh Zayid bin Sultan Al Nahyan, Mohammeds Vater, undenkbar gewesen. Der Herrscher, unter dessen Führung sich die sieben einzelnen Emirate 1971 zusammenfanden, war für seine zurückhaltende Außenpolitik bekannt. Sein Ziel: Turboentwicklung, angetrieben von den immensen Erdölvorkommen, an der sich Menschen aus aller Welt beteiligen dürfen. Der Golf: ein Ort der Vielwirtschafterei, nicht der Politik. Um diese Vision durchzusetzen, war er bereit, Opfer zu bringen. Dazu gehörte auch eine klare Abgrenzung zu Saudi-Arabien und seiner Politik. Das Königshaus in Riad hatte schon mehrmals versucht, die Emirate wegen seiner Ölquellen zu erobern, aber auch in Sachen Religionsausübung und Außenpolitik hat der größte der Golfstaaten sich stets um eine Einflussnahme auf alle Länder der Region bemüht.
Scheikh Zayed starb im Jahr 2004. Eine neue, junge Generation ist nun an der Macht. Und diese hat verstanden: Irgendwann wird das Öl am Golf ausgehen. Deshalb haben sich die Kronprinzen Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate verbündet: Mohammad Bin Salman und Mohammad Bin Zayed möchten dem unausweichlichen Schicksal, die wichtigste Einnahmequelle und damit die eigene weltpolitische Bedeutung zu verlieren, entgegenwirken. Medienwirksame Bauvorhaben reichen da nicht aus. Die beiden setzten auf andere Dinge: das Militär und atomare Energie. In den vergangenen Jahren wurde in beides mächtig investiert: Mohammad Bin Salman verkündete, das Königshaus möchte 16 Kernkraftwerke errichten. Das erste davon befindet sich schon in Bau. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind sogar etwas schneller: Am 8. Juni erklärte die emiratische Tageszeitung »Gulf News«, der erste Reaktor des Kernkraftwerks Barakah befinde sich in der finalen Testphase vor der Inbetriebnahme. Zudem investierte Mohammad Bin Zayed in den vergangenen Jahren ausgiebig in die Streitkräfte und führte die allgemeine Wehrpflicht ein. Unter ihm erreichten die Vereinigten Arabischen Emirate einen der weltweit höchsten Militarisierungsgrade pro Kopf. Auf 2100 Einwohner kommt ein Kampfpanzer. Zum Vergleich - in Deutschland ist das Verhältnis circa 1: 27.000.
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