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  • Democratic Socialists of America

Die Aktivistenmaschine

An der linken Flanke der Demokraten sind die Democratic Socialist of America zu einer politischen Kraft geworden.

  • Moritz Wichmann, Atlanta
  • Lesedauer: 5 Min.

»Der Zombie-Neoliberalismus der Wall-Street Demokraten hat uns an den autoritären Abgrund der Trump-Präsident gebracht«, donnert Maria Svart vom Rednerpult. Doch die politische Direktorin der Democratic Socialists of America (DSA) verweist in ihrer Eröffnungsrede im gleichen Atemzug auch auf die politischen Chancen: eine Rekordzahl an Streiks im Land und eine neue Welle von linkem Aktivismus an der Basis der Demokratischen Partei. »Wir sind Teil eines linken Aufbruchs, wir schlagen zurück«, ruft Svart den 1000 Delegierten vor ihr zu. Sie sind zur alle zwei Jahre stattfindenden »Convention« der DSA in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia gekommen.

Die »Convention« ist das höchste Entscheidungsorgan der Organisation. Seit Bernie Sanders Kampagne 2016 hat sich die Mitgliederzahl der DSA fast verzehnfacht, von rund 6.000 auf heute 55.000. Die Organisation, die keine Partei ist, aber immer mehr so agiert, war früher eher ein Netzwerk linker Lesezirkel. In den letzten drei Jahren ist sie laut Svart zu einer »Aktivistenmaschine« geworden, die zum Beispiel die »Fußtruppen« im Haustürwahlkampf für die Einführung der allgemeinen staatlichen Gesundheitsversorgung Medicare for all bereitstellt, eine der Schwerpunkte der DSA.

Auch junge Menschen engagieren sich

In mittlerweile mehr als 200 Städten gibt es Ortsgruppen, noch jüngere Schüler*innen und Student*innen können sich in rund 80 Ortsgruppen der Youth DSA für den demokratischen Sozialismus engagieren. Der Fokus auf »Organizing von unten« unterscheide die DSA von anderen Nichtregierungsorganisationen, die »nur ein Büro in Washington DC« haben, ätzt Maria Svart.

Die DSA verfolgt eine Doppelstrategie: »Einen Fuß auf der Straße, einen in der Partei«. Man unterstützt Protest und soziale Bewegungen und stellt gleichzeitig eigene Kandidaten, die als Demokraten antreten und unterstützt linke Volksbegehren.

Bei den großen Lehrerstreiks des vergangenen Jahres in mehreren US-Bundesstaaten spielten DSA-Aktivisten eine Rolle, in zahlreichen Fällen organisierten sie Unterstützung für die Streikposten von Gewerkschaften, und halfen Mieter, die sich gegen Vermieter und Gentrifizierung einsetzten. Außerdem protestierten sie mit anderen Organisationen gegen Razzien der Abschiebebehörde ICE.

DSA gewinnt an Bedeutung

Vor zwei Jahren waren es nur etwas mehr als ein Dutzend, mittlerweile hat die Organisation abseits der neuen Stars der Partei, die 2018 gewählten Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez und Rashida Tlaib, landesweit 94 Mitglieder, die als Parlamentarier in Stadt- und Staatsparlamenten sitzen. Am ersten Tag der »Convention« wird stolz die Wahl von Sean Parker in den Stadtrat von Nashville, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Tennessee, verkündet.

Vor drei Jahren lag das Durchschnittsalter der Mitglieder noch bei über 60 Jahren, heute liegt es bei 33, der »Post-Bernie-Boom« hat für eine deutliche Verjüngung der 1982 gegründeten Organisation gesorgt. Die DSA sei »jung und freundlich«, sagt Oliver Schröder. Der Leiter des Bereichs Internationale Politik der deutschen Linkspartei ist als Beobachter nach Atlanta gekommen. »Ihr seid smart, habt Leidenschaft« lobt Schröder die DSA-Aktivisten in einem Grußwort. Und »als Deutscher« hat er eine Mahnung für die Delegierten in Zeiten rassistischer Mobilisierung von US-Präsident Donald Trump: »Antifaschismus ist unsere Verantwortung, ist Pflicht«. Die DSA hat bereits danach gehandelt und die Einrichtung einer nationalen Antifa-Arbeitsgruppe beschlossen.

Die »Convention« im Jahr 2017 sei quasi der Gründungsparteitag der der neuen DSA gewesen, sagt ein Aktivist aus Pittsburgh. Nun geht es um die Konsolidierung der Organisation, rund die Hälfte der Anträge befassen sich mit der internen Organisation der DSA. Obwohl die meisten Mitglieder nicht Teil einer Strömung sind: mittlerweile haben sich mehrere Strömungen gebildet, um den Kurs der Organisation zu beeinflussen. Die marxistische Strömung »Bread & Roses« um die Zeitschrift »Jacobin« zum Beispiel will die DSA in eine Aktivistenorganisation mit klarer Organisation und radikalem Programm transformieren. Die undogmatischen Basisaktivisten um den »Build Caucus«, hingen halten die Autonomie der Ortsgruppen und politische Flexibilität hoch. Beide Gruppen verteilen beim Parteitag Flyer und Karten mit Wahlempfehlungen für Anträge und stellen ihre Kandidaten zur Wahl des Nationalen Politischen Kommitees vor.

Offene Grenzen gefordert

Ein wichtiger Beschluss der »Convention«: Die DSA will in Zukunft einen sozialistischen Green New Deal unterstützen, über 40 Ortsgruppen arbeiten bereits zu dem Projekt. Doch ein Zusatz, auch für den von den Fridays-For-Future-Aktivist*innen und Extinction Rebellion geplanten, globalen Klimastreik am 20. September aufzurufen, findet keine Mehrheit. Die Begründung: In der Kürze der Zeit könne man nicht mehr als eine symbolische Beteiligung organisieren. Weitere Beschlüsse zeigen den weitgehend linkslibertären Charakter der Organisation: Man unterstützt jetzt offiziell offene Grenzen und Bewegungsfreiheit und die Entkriminalisierung von Sex-Arbeit.

Unterstützung für Bernie Sanders, aber kein »all in«

Schon im März hatte die DSA beschlossen, auch dieses Jahr wieder Bernie Sanders Kampagne für die Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Demokraten zu unterstützen. Doch ein Antrag eine eigene DSA-Kampagne für Bernie Sanders zu organisieren, scheitert dagegen am Wochenende. Die Delegierten stimmen stattdessen dafür, das Aufstellen lokaler DSA-Kandidat*innen im ganzen Land zur Priorität zu machen. Und: Im Fall einer Niederlage von Sanders will man laut offiziell als Gesamtorganisation keinen anderen Kandidat der Demokraten unterstützen.

Einige DSA-Aktivisten, besonders die aus den sogenannten »Swing States« wie Wisconsin und Michigan wollen aber nicht, das eine Abwahl des US-Präsidenten am fehlenden Engagement linker Aktivisten scheitert. Die beiden Staaten, die vorher oft für die Demokraten stimmten, votierten 2016 knapp für Trump. »Einzelne Ortsgruppen können in der Frage tun, was sie wollen«, erklärt DSA-Sprecher Garrett Schaffel gegenüber »nd«. Er verweist darauf, dass die DSA schon 2016 eine »Dump Trump«-Kampagne verfolgt habe, die Mitglieder in wahlentscheidenden Staaten wurden ermutigt, zähneknirschend für Hillary Clinton zu stimmen.

»Bernie Sanders ist nur ein Avatar für eine linke Agenda im Land«, sagt Winnie Wong. Die Sanders-Kampagne sei bereits stark, so die Sanders-Beraterin zu »nd« am Rand der »Convention«. Die Aktivisten der Organisation würden beim Aufbau linker Gegenmacht in den Institutionen im ganzen Land gebraucht: »Sie sind die linke Flanke«.

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