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Mit 13 zu Olympia
Ausnahmetalent Lilly Stoephasius tritt als jüngste Frau auf dem Skateboard zur Qualifikation an
Wenn Lilly Stoephasius auf ihrem Skateboard steht, strahlen ihre Augen. Ein kurzes Wippen nach vorne, und ab geht’s in die Tiefe. Stoephasius holt Schwung, sie springt ab und fliegt durch die Luft - als gäbe es nichts Leichteres. Dabei dreht sie sich und ihr Sportgerät noch um 180 Grad, bevor sie wieder sicher auf dem Brett landet.
»Backside varial« heißt dieser Trick. »Den können nur eine Handvoll Frauen«, sagt sie stolz. Was umso bemerkenswerter ist, denn Lilly Stoephasius ist erst zwölf Jahre jung. Die Berlinerin ist das, was man ein Ausnahmetalent nennt. Mit elf wurde sie Vize-Europameisterin und deutsche Meisterin in der Disziplin Park. Ende August möchte sie in Düsseldorf ihren Titel verteidigen. Wenn nichts dazwischenkommt, fährt sie als beste deutsche Frau zu den Olympischen Spielen. Mit 13!
Skateboarden feiert 2020 seine olympische Premiere. »Eine richtige Vorstellung von dem, was da auf mich zukäme, habe ich noch nicht. Aber dabei zu sein, wäre ziemlich cool«, sagt Stoephasius lächelnd. Bei der Disziplin Park fährt sie in einer »Bowl«, übersetzt: Schüssel, einer Art Beton-Pool mit Hügeln und Rampen.
20 Startplätze gibt es für Tokio, maximal drei Frauen pro Nation dürfen teilnehmen. Stoephasius liegt zwar auf Rang 25, da vor ihr aber zu viele Japanerinnen und US-Amerikanerinnen rangieren, wäre sie derzeit dabei. Und weil der Weltverband »World Skate« keine Altersbeschränkung vorgibt, ist eine Teilnahme durchaus möglich. »Wir nominieren Athleten, wenn sie sportlich qualifiziert und von ihrem Verband vorgeschlagen sind und wenn die Athletenvereinbarung des DOSB unterzeichnet ist«, erklärt auch der Deutsche Olympische Sportbund, keine Einwände zu haben.
Aber der Weg nach Japan ist noch weit. In den kommenden Monaten stehen die wichtigsten Qualifikationswettkämpfe in Chile, Brasilien und den USA an. Ein anstrengendes Programm. Vor allem für eine, die gerade erst aufs Gymnasium wechselt. Die erste Schulwoche findet direkt ohne Stoephasius statt. »Als Mutter hätte ich mir gewünscht, Lilly hätte sich mit dem Gut-Sein noch etwas Zeit gelassen«, sagt Anne Stoephasius. »Wir sind als Eltern total stolz. Aber es ist nicht einfach, wenn das Kind so viel unterwegs ist. Wir lassen sie ungern alleine reisen.«
Vater Oliver - selbst Skater und Lillys Trainer - ist daher meist dabei. Als Dreijährige stand sie erstmals auf dem Brett, »aber ich bin schon lange besser als Papa«, sagt sie. Vier- bis fünfmal trainiert sie in der Woche, dazu kommen Schule, Freunde und Ballett. »Ich bekomme das alles gut hin«, versichert sie. Nach ihrem Meistertitel gab es Gespräche mit dem Verband. »Lilly war elf, wir mussten entscheiden, ob sie die Olympiaqualifikation wirklich schon versuchen soll«, erklärt Mutter Anne. »Sie ist eine gute Schülerin, wir haben sie entscheiden lassen. Sie weiß, was sie will.«
Auch sonst ist die kleine Tochter in vielem schon groß. Sie hat eigene Sponsoren: für ihr Board, ihre Kleidung, ihre Schuhe und sogar die Knieschoner. Was sie tut, wirkt extrem routiniert. Freundlich, redegewandt und reflektiert gibt sie Interviews. »Sie ist ein kleiner Mini-Profi«, sagt die Mutter. »Wenn wir merken, dass es Lilly zu viel wird oder sie den Spaß verliert, schreiten wir ein.«
Dass eine freiheitsliebende Sportart wie das Skateboarden olympisch wird und sich plötzlich mit Verbandsstrukturen konfrontiert sieht, finden nicht alle in der Szene gut. Kritiker sagen, das Lebensgefühl und die Kultur des Skatens könnten ihrer Identität beraubt werden. Lilly Stoephasius glaubt das nicht. Sie sieht vielmehr die Chancen. »Skaten ist eine kreative Sportart, bei der man sich und seinen Style ausleben kann. Ich wünsche mir, dass mehr Mädchen Spaß am Skaten finden und wir mehr Anlagen in Deutschland bekommen.«
Im Moment ist Stoephasius die größte deutsche Olympiahoffnung. »Ich würde mich freuen, wenn sie es schafft«, sagt Bundestrainer Horrwarth, der die Berlinerin auf dem besten Weg nach Tokio sieht. Zwar fehle ihr noch etwas die Kraft. »Aber sie ist ein Bewegungstalent, motorisch früh entwickelt, mit guter Technik und einer enormen Auffassungsgabe.« Anfang 2020 entscheidet sich, ob sie in Japan dabei ist. Wenn’s nicht klappt, wäre das kein Beinbruch, sagt sie selbst. Dann fahre sie eben 2024 nach Paris. Mit 17. dpa/nd
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