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Bis alle Bagger stillstehen
Aktionen, Workshops und Tanzdemo beim zweiten Klimacamp im Leipziger Land
»Wir werden so lange weitermachen, bis alle Bagger stillstehen!« Mit dieser Losung besetzte eine Gruppe von acht Aktivist*innen am Dienstagmorgen einen Bagger im Tagebau »Vereinigtes Schleenhain«. Nach einigen Stunden räumte die Polizei das Gelände. Am Samstag hatte das Klimacamp mit einem Dorffest begonnen, enden wird es mit einer Tanzdemo. Anwohner*innen schauten bereits zu Kaffee und Kuchen vorbei.
Der Ort südlich von Leipzig ist nicht zufällig gewählt für das diesjährige Klimacamp, das noch bis Sonntag dauert: Vor acht Jahren haben in Pödelwitz noch 140 Menschen gelebt, mittlerweile sind es 28. Der Mitteldeutsche Braunkohlekonzern Mibrag hat den Einwohner*innen einen ansehnlichen Schadenersatz für den Verkauf ihrer Häuser geboten. Viele sind dem Angebot gefolgt. Jens Hausner ist einer der wenigen, die dageblieben sind. »Wir leben in einer materialistisch geprägten Gesellschaft«, erklärt er die Entscheidung seiner einstigen Nachbar*innen.
Mit anderen Einwohner*innen gründete Hausner die Bürgerinitiative »Pro Pödelwitz«. Genau wie letztes Jahr haben sie auch diesmal das Klimacamp zu sich eingeladen, »um ein Zeichen zu setzen«. Und natürlich, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf den Kampf der verbliebenen Dorfbewohner*innen gegen den Braunkohlekonzern zu lenken.
Nachdem der Großteil der Pödelwitzer*innen weggezogen war, konnte Mibrag nämlich ziemlich leicht Anspruch auf das Abbaugebiet »Vereinigtes Schleenhain« stellen. Hausner nennt dieses Vorgehen eine »miese Masche« - nicht untypisch für das Vorgehen von Braunkohlekonzernen. Denn Pödelwitz ist nicht das einzige Dorf, dem dieses Schicksal widerfährt. Aus diesem Grund hat sich im letzten Jahr ein Bündnis von betroffenen Orten in Ost- und Westdeutschland gegen die drohende Abbaggerung gebildet. Es besteht aus drei Dörfern - Pödelwitz, Proschim und Kuckum. Mit ihrem Bündnis »Alle Dörfer bleiben!« fordern sie den Erhalt von mittlerweile sieben bedrohten Dörfern und eine aktive Teilhabe der Gemeinden an der geforderten Gestaltung eines Strukturwandels in der jeweiligen Region.
Knapp ein Drittel des gesamten CO2-Ausstoßes in Deutschland stammt aus Kohlekraftwerken. Eigentlich könnten sich die Klimaschützer*innen jetzt zurücklehnen, denn der Kohleausstieg ist inzwischen beschlossen. Allerdings erst bis zum Jahr 2038, und dies ist den Aktivist*innen im Klimacamp deutlich zu spät. Sie fordern einen sofortigen Kohleausstieg. Und es geht ihnen um weit mehr als das. Während den Demonstrant*innen von »Fridays For Future« manchmal eine Verengung auf den Klimawandel vorgeworfen wird, wollen die Aktivist*innen hier im Klimacamp mehr: Ihnen geht es um einen Systemwechsel.
Marlene aus Hildesheim ist nicht das erste Mal auf einem Klimacamp und sagt: »Klimagerechtigkeit und Solidarität sind Konsens im Camp.« Doch es gibt auch Diskussionen, etwa darüber, ob die Klimabewegung nicht zu elitär sei, es geht um die Zusammensetzung der Teilnehmer*innen und der Klimabewegung selbst. An den Freitagsdemonstrationen nehmen hauptsächlich Schüler*innen teil, in Pödelwitz findet man derzeit vor allem Studierende. 90 Prozent, schätzt Helena aus Lüneburg. Auf einer Podiumsdiskussion spielte die Selbstreflexion eine große Rolle. Sollte Klimabewusstsein nicht überall im Lehrplan stehen?
Katja Meier, Spitzenkandidatin der Grünen für die Landtagswahl in Sachsen, hat auch schon vorbeigeschaut. Das jedoch als Privatperson, denn das Klimacamp funktioniert basisdemokratisch und sieht keinen Platz für Parteien auf dem Gelände vor. Verknüpfung und Vernetzung spielen im Camp eine zentrale Rolle. Im Programm steht auch, dass sich Menschen verschiedener Bewegungen zusammenfinden, um sich über gemeinsame Kämpfe auszutauschen. Hausner sagt: »Die Klimabewegung lässt sich nicht mehr spalten, auch wenn die Politik das gerne hätte!«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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