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Klimakrise setzt armen Menschen am meisten zu
Vor allem Menschen mit wenig Geld leiden unter den Klimaveränderungen - und sind damit einem höheren Gesundheitsrisiko ausgesetzt
Berlin. Es ist laut an mehrspurigen Straßen, in Einflugschneisen und an Bahnstrecken. Auch die Luft ist dort nicht die Beste. Am meisten betroffen von Lärm und Abgasen sind die Anwohner - Untersuchungen zufolge in mehrfach belasteten Gebieten vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen. Sie seien daher stärker betroffen, erklärt Christiane Bunge vom Umweltbundesamt. Umweltexperten wünschen sich deshalb, dass die Zusammenhänge zwischen Umweltqualität, Gesundheit und sozialen Faktoren stärker in den öffentlichen Fokus rücken. Wenn über Klimaschutz und Gerechtigkeit geredet wird, geht es aber meistens nur ums Geld.
Am 20. September will das Klimakabinett der Bundesregierung über ein Gesamtpaket entscheiden. Dabei geht es auch um eine mögliche Bepreisung des CO2-Ausstoßes. Damit würden Sprit, Heizöl und Erdgas teurer, um im Verkehrs- und Gebäudebereich das Einsparen des klimaschädigenden Kohlendioxids (CO2) zu fördern. In der Debatte wird dabei oft gefordert, dass die Belastungen durch eine CO2-Bepreisung gerecht und sozial ausgewogen sein müssten.
Auch jetzt schon leiden vor allem Menschen mit wenig Geld unter den Klimaveränderungen sowie anderen Umweltfaktoren - und sind einem höheren Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Diese Zusammenhänge werden unter dem Begriff Umweltgerechtigkeit betrachtet und vor allem daran erkennbar, wer wo wohnt, wie Bunge erklärt. Belastungen wie Abgase und Lärm etwa seien innerhalb einer Stadt häufig ungleich verteilt. Zudem gebe es in sozial benachteiligten Stadtteilen meist weniger attraktive Grünflächen. Auch das hat Auswirkungen: Studien belegen, dass Grünflächen gut für körperliche und mentale Gesundheit sind.
»Bundesweit zeigt sich ganz klar, dass die Lebenserwartung mit dem Einkommen steigt«, erklärt Bunge. Der Unterschied betrage mehrere Jahre. »Das kann man zwar nicht allein auf die Umweltbelastungen zurückführen, aber sie haben einen Anteil daran.« Dabei tragen gerade Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Einkommen weniger zu Umweltbelastungen bei: »Sie verfügen sehr viel seltener über einen eigenes Auto, auch ihr Energieverbrauch ist geringer.«
Kommt es durch den Klimawandel zu mehr Hitzewellen, macht das den Städten zu schaffen und dort vor allem den Menschen, die sowieso schon mehrfach belastet sind. »Zu den gesundheitlich gefährdeten Gruppen gehören ältere Menschen und hier vor allem ärmere, allein lebende und chronisch kranke Personen.« Die Wohnungen ärmerer Haushalte seien etwa häufig schlechter isoliert. Parks lägen nicht immer einfach um die Ecke. Bunge hält daher für wichtig: Schattenplätze, kühle Räume, mehr Bänke und Trinkbrunnen sowie Dach- und Fassadenbegrünung, Rollläden oder Sonnensegel.
Die Umweltpolitik müsse einen »sehr viel genaueren Blick« darauf werfen, wer die von den Folgen der Klimaveränderungen betroffenen Bevölkerungsgruppen seien, so Bunge - um so Förderprogramme gezielter und effizienter umzusetzen. »Wir wünschen uns, dass das Thema Umweltgerechtigkeit einen stärkeren Eingang findet in die «großen» Umweltthemen in Deutschland, auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene.«
Das Bundesbauministerium von Horst Seehofer (CSU) verweist auf bestehende Programme zur Städtebauförderung, in deren Rahmen seit mehreren Jahren Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung und das Ziel der Umweltgerechtigkeit gefordert würden. Kurz vor der Sommerpause hat das Bundeskabinett einen »Masterplan Stadtnatur« aus dem Umweltministerium beschlossen. Förderprogramme und Zuschüsse, ein Ideenwettbewerb und Informationskampagnen sollen dafür sorgen, dass Stadtplaner, Unternehmen und Privatleute mehr grüne Flächen anlegen.
Die Umweltminister der Länder haben das Thema aufgegriffen und wollen Leitlinien zu Umweltgerechtigkeit entwickeln. Berlin hat anhand von Umwelt- und Sozialdaten einen Umweltgerechtigkeitsbericht und eine entsprechende Karte erstellt.
Die Grünen im Bundestag stellten kürzlich einen Hitzeaktionsplan vor, in dem es vor allem um den Umgang von Städtern mit extremer Hitze geht. Der klimapolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Lukas Köhler, hält auch Anpassungen im Gesundheitssystem für notwendig: Große Hitze sei bei vielen Krankheiten oft besonders schwer erträglich, zudem lasse ein sich veränderndes Klima auch Krankheiten auftreten, die hierzulande bislang kaum oder gar nicht aufgetreten seien. »Darauf müssen wir unser Gesundheitssystem frühzeitig vorbereiten, etwa durch entsprechende Schwerpunkte in der medizinischen Versorgung oder im Medizinstudium.« dpa/nd
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