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Endlich Pflege nach Bedarf

Pflegepersonalbemessung in Krankenhäusern soll schnell gesetzlich verpflichtend werden

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie viele Pflegekräfte fehlen nun wirklich in deutschen Kliniken? Die Schätzungen und Hochrechnungen reichen von 50 000 bis zu 300 000 nicht besetzten Stellen. Drei wichtige Akteure aus dem Feld Krankenhauspflege wollen bis zum Jahresende Nägel mit Köpfen machen, damit endlich der genaue Bedarf festgestellt und im nächsten Schritt auch finanziert werden kann.

Am Dienstag stellten der Deutsche Pflegerat, der ver.di-Bundesvorstand und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ihre gemeinsamen Eckpunkte für dieses Vorhaben in Berlin vor. Zusammengekommen sind damit aber zunächst nur drei der Interessenvertreter bei diesem Thema, weitere wären die Krankenkassen, die Bundesländer oder die Krankenhausärzte. Die drei Initiatoren der Eckpunkte sind sich nicht in allem einig. Konsens ist aber, dass die Bedingungen für die Pflege verbessert werden müssen.

Erreicht werden soll das auch dadurch, dass der Bedarf an Pflegepersonal nach unterschiedlichen Patientengruppen und Leistungen der Krankenhäuser differenziert festgelegt wird. Sprich: Für zehn junge sportliche Patienten, deren Probleme mit dem Kreuzband operativ gelöst werden sollen, werden vermutlich weniger Pflegekräfte je Schicht benötigt als für zehn ältere Menschen mit Demenz und zusätzlich diversen chronischen Krankheiten.

Das relativ simple Beispiel zeigt aber schon, wie kompliziert die ganze Angelegenheit werden kann. Insofern gab es zunächst tatsächlich nur Eckpunkte zur Orientierung für das Bemessungsinstrument. Die erste und bislang einzige konkrete Vorstellung kam von ver.di. Sylvia Bühler vom Bundesvorstand bekräftigt die Forderung »Keine Nacht allein«. Demnach darf keine Nachtschicht auf einer Station nur mit einer einzigen Pflegekraft besetzt sein. Am Ende soll eine qualitativ hochwertige Versorgung stehen, eine hohe Patientensicherheit gewährleistet sein; dies soll sich auf alle Stationen der Krankenhäuser erstrecken, aber auch in Gesamtzahlen für Pflegekräfte je Klinik münden. Auf dieser Basis wäre das Pflegebudget der Krankenhäuser zu errechnen, das auch vergütet wird - und zwar in Zukunft außerhalb der Fallpauschalen. Auf deren Anwendung basiert nach Auffassung von Kritikern die rasante Ökonomisierung der stationären Gesundheitsversorgung, eben auch zulasten der Menschen, die in der Pflege arbeiten.

Kritisiert wurde die Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen, womit die Gefährdung von Patienten verhindert werden soll, aber keine Pflege nach Bedarf gesichert werden kann. Laut DKG-Präsident Gerald Gaß wurden in den deutschen Kliniken im zweiten Quartal 2019 im Monatsdurchschnitt zu fast 96 Prozent diese Untergrenzen erreicht. Eine Verbesserung der Versorgung sei auf diesem Weg nicht eingetreten, der bürokratische Aufwand hingegen extrem. Andrea Lemke vom Pflegerat legt nach: »Unsere Befürchtungen sind wahr geworden, dass die Untergrenzen zu Obergrenzen wurden.« Viele Hilfskräfte seien entlassen worden, weil sie nicht »anrechenbar« seien, das habe eher zur Verschlechterung der Versorgung geführt. Die Untergrenzen müssten mindestens modifiziert, besser wieder abgeschafft werden.

Für die Bemessung des Pflegepersonals soll eine Expertenkommission bis zum Jahreswechsel Genaueres festlegen. Ein entsprechender Entwurf soll dann das Bundesgesundheitsministerium überzeugen; eine Regierungskommission sollte den Ball aufnehmen. Gaß wünscht sich ebenso wie die Vertreterinnen von ver.di und Pflegerat kurze Fristen bis zur gesetzlichen Umsetzung, die verbindliche Personalbemessung solle nicht erst in vier bis fünf Jahren kommen. »Wir brauchen keine weiteren Analysen und wissenschaftliche Untersuchungen«, meint auch die Pflegedirektorin am Evangelischen Waldkrankenhaus Spandau, Andrea Lemke.

DKG-Präsident Gaß entwirft am Ende ein sehr optimistisches Szenario: Wenn das Instrument erst einmal Gesetzeskraft hat, wird der Sog der Verbesserung der Arbeitsbedingungen schon so stark sein - auch durch andere Maßnahmen -, dass sich die notwendigen Arbeitskräfte quasi von selbst (wieder) einfinden. Mehr junge Menschen würden in die Ausbildung drängen, Teilzeitarbeitskräfte zurück in Vollzeit kommen. Was passiert, wenn das doch nicht so aufgeht, darüber will man zumindest öffentlich noch nicht nachdenken. Denn am Ende könnten die Nichtbelegung vorhandener Krankenhausbetten oder die Schließung von Abteilungen stehen, wenn die festgelegte Personalbemessung wirklich verpflichtend wird und die Arbeitskräfte einfach nicht aufzutreiben sind.

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