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Verbraucher gegen Klöckner
Ministerin blockiert die Lebensmittelampel Nutri-Score weiter. In einer Umfrage erhält das System Spitzenwerte
Ob der Schokoriegel, der fit machen soll, oder der vermeintlich gesunde Kindersnack - Verbraucher haben es meistens gar nicht so einfach, auf den ersten Blick zu erkennen, ob ihr Lebensmittel gesund ist. Ein »Nutri-Score«, der auf der Verpackung angibt, was tatsächlich drinsteckt, könnte da schnell Abhilfe schaffen. Eine Mehrheit der Deutschen würde einen solchen Weg befürworten. 69 Prozentsprechen sich für die Einführung des Nutri-Scores als Lebensmittelkennzeichnung in Ampelform aus. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa, das am Mittwoch in Berlin von der Verbraucherorganisation Foodwatch vorgestellt wurde.
Der Nutri-Score fasst die ohnehin verbindlichen Nährwertkennzeichnungen für Salz, Zucker, Fett etc. anhand anerkannter ernährungswissenschaftlicher Kriterien in einem einfachen farblichen Gesamtbewertungsschema mit den Stufen A bis E zusammen. Bei der Berechnung werden auch positive Bestandteile wie Proteine, Vitamine und Ballaststoffe berücksichtigt. Optisch erinnert diese Ampel an das bewährte System der Kennzeichnungen zur Energieeffizienz, die seit vielen Jahren für Elektrogeräte verbindlich sind.
Während Länder wie Frankreich, Belgien und Spanien auf die Lebensmittelampel Nutri-Score setzen, leistet Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) hinhaltenden Widerstand. Ganz im Sinne einiger einflussreicher Verbänden der Lebensmittelindustrie warnt sie vor einer »Stigmatisierung« bestimmter Lebensmittel durch allzu plakative Hinweise auf eine ernährungsphysiologisch problematische Zusammensetzung. Die Ministerin bezeichnete den Nutri-Score in mehreren Interviews als »irreführend«. Als Alternative hat Klöckner ein eigenes Modell zur Nährwertkennzeichnung entwickeln lassen, den sogenannten Wegweiser Ernährung, der in der Umfrage ebenfalls bewertet werden sollte. Während der Nutri-Score von 90 beziehungsweise 87 Prozent der Befragten als »auffallend« sowie »schnell erfassbar« eingestuft wurde, stimmten dieser Einstufung beim »Wegweiser Ernährung« nur zwei beziehungsweise fünf Prozent zu.
Viele Wissenschaftler und Fachverbände unterstützen die Forderung nach einer Einführung des Nutri-Score. »Gerade Menschen aus bildungsfernen Schichten, die sich mit grundlegenden Ernährungsfragen kaum beschäftigt haben, wünschen sich ein einfaches Kennzeichnungssystem als Orientierungshilfe beim Einkauf«, betonte Berthold Koletzko, Leiter der Abteilung Stoffwechsel und Ernährung des Kinderspitals im Klinikum der Universität München, unter Verweis auf die Umfrage, in der die Zustimmungswerte auch anhand der Bildungsabschlüsse erhoben wurden. Allerdings dürfe man von einer Kennzeichnung keine »Wunderdinge« erwarten. Der Nutri- Score könne nur ein - wenn auch wichtiges - Element sein, wenn man gefährliche Volkskrankheiten wie Adipositas und Diabetes wirksam eindämmen wolle. Als Beispiel nannte Koletzko ein striktes Werbeverbot für die Zielgruppe Kinder, wie es in Frankreich gilt. Auch habe eine Zuckersteuer in Großbritannien dazu geführt, dass viele Hersteller den Zuckergehalt in Soft-Drinks, Süßspeisen und Cerealien reduzierten.
Luise Molling, Foodwatch-Expertin für Übergewichtsprävention, sieht ihre Organisation durch die Umfrage darin bestätigt, weiter Druck auf die Ministerin auszuüben. Denn »die Faktenlage ist eindeutig, und die Zeit drängt«. Es sei nicht länger hinnehmbar, dass sich Klöckner »vorrangig den Interessen der Industrie verpflichtet fühlt« und den gesundheitlichen Verbraucherschutz vernachlässige. Molling verwies auch auf die paradoxe Rechtslage. Unternehmen, die den Nutri-Score freiwillig ohne gesetzliche Grundlage für die Kennzeichnung ihrer Produkte nutzen wollen, müssen damit rechnen, mit Abmahnungen und langwierigen juristischen Verfahren überzogen zu werden. Dem Tiefkühlproduzenten Iglo wurde die Verwendung in erster Instanz untersagt, da sie gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstoße. Der Konzern ist in Berufung gegangen.
Ohnehin würde die Zulassung des Nutri-Score in Deutschland eine freiwillige und keine verpflichtende Kennzeichnung schaffen, da dies nur auf EU-Ebene möglich wäre. Doch selbst diesem kleinen Schritt für mehr Transparenz verweigert sich Klöckner beharrlich.
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