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Viel Schatten auch bei Spitzenreitern
Bildungsmonitor von Wirtschaftslobbyorganisation: mehr Schulabbrecher, Erfolge weiter von Herkunft abhängig
Zum 14. Mal in Folge hat Sachsen beim Bildungsranking der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) den virtuellen Pokal gewonnen. Nach Einschätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) ist im Freistaat die Chance auf Bildungserfolg am größten. Auf Platz zwei und drei des »Bildungsmonitors«, den INSM und IW am Donnerstag in Berlin vorstellten, folgen Bayern und Thüringen. Schlusslicht ist Berlin nach Bremen und Brandenburg.
Betrachtet man die Ergebnisse in den zwölf »Handlungsfeldern« oder bei einzelnen der 93 Indikatoren, anhand derer das IW die Bildungssysteme der Länder verglichen hat, ergeben sich jedoch teilweise völlig andere Platzierungen. Das IW hat im Auftrag der vom Unternehmerverband Gesamtmetall gegründeten Denkfabrik INSM nun schon zum 16. Mal bewertet, »inwieweit ein Bundesland Bildungsarmut reduziert, zur Fachkräftesicherung beiträgt und Wachstum fördert«. Der Begriff Bildungsarmut bezeichnet dabei den Anteil von Menschen mit geringen Bildungsabschlüssen und fachlichen Kompetenzen.
Insgesamt werden dem Bildungssystem im Monitor erhebliche Defizite bescheinigt. Vor allem die deutlich gewachsene Zahl der Schulabbrecher kritisierte INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr. Im Referenzjahr 2017 lag der Anteil derer, die die Schule ohne Abschluss verließen, bei 6,3 Prozent gegenüber 5,7 Prozent 2016. Bei ausländischen Jugendlichen erhöhte sich die Abbrecherquote gar von 14,2 auf 18,1 Prozent. Dies habe aber nur bedingt mit dem seit 2015 gewachsenen Anteil von Migranten an den Schülern und Auszubildenden zu tun, betonte der Leiter der Studie, Axel Plünnecke. Vielmehr träten dadurch lange bestehende Defizite stärker zutage.
Auffällig ist, dass bei der Abbrecherquote unter Zuwanderern gerade das drittplatzierte Bundesland Thüringen besonders schlecht abschneidet. Fast die Hälfte von ihnen schafft dort keinen Abschluss. Am besten schnitten diesbezüglich Hamburg und Hessen ab.
Plünnecke sprach sich für einen weiteren Ausbau bei Kitaplätzen und Ganztagsschulen, Qualitätsverbesserungen in der frühkindlichen Bildung, Investitionen in die Digitalisierung und eine Umverteilung von Mitteln aus den Bildungsetats in Richtung der Schulen in sozialen Brennpunkten aus. Pellengahr betonte, mehr Geld allein mache noch keine gute Bildung. Er forderte die Länder auf, mit den Mitteln aus dem neuen Gute-Kita-Gesetz nicht eine Senkung oder Abschaffung der Elternbeiträge zu finanzieren, sondern eine Verbesserung der Qualität. Er lobte zugleich den CDU-Politiker Carsten Linnemann, der vergangene Woche eine Diskussion um die Sprachförderung insbesondere von Migrantenkindern losgetreten hatte. Er hatte Sprachtests vor der Einschulung und eine Rückstellung von Kindern bei Nichtbestehen verlangt.
Im Bereich »Förderinfrastruktur«, der das Ganztagsbetreuungsangebot in Kita und Schule sowie das Qualifikationsniveau des Kitapersonals beinhaltet, hat nicht nur Spitzenreiter Sachsen gute Werte, sondern ganz Ostdeutschland. Ähnlich sieht es bei der Schulqualität aus, die vor allem anhand der Ergebnisse von Vergleichsarbeiten in Mathematik und Deutsch beurteilt wurde.
Während das insgesamt zweitplatzierte Bundesland Bayern als einziges westliches bei der Schulqualität ähnliche Werte aufwies wie der Osten, liegt es bei den Betreuungsangeboten auf Rang 14. Bei der Schulabbrecherquote hat wiederum Sachsen nur den drittletzten Platz, Bayern dagegen den dritten. Bei der Altersstruktur der Lehrkräfte belegte Sachsen nur den zwölften Rang. Der gesamte Osten ist von einem sehr hohen Altersdurchschnitt der Lehrkräfte geprägt. Hier treten langjährige Versäumnisse bei der Ausbildung von Nachwuchs zutage. Folgerichtig ist auch der Anteil der vielfach im Schnellverfahren qualifizierten Quereinsteiger in den Lehrerberuf in Ostdeutschland besonders hoch.
Schwerpunkt der Studie war die »ökonomische« Kompetenz, womit hier vor allem der Umgang mit Geld gemeint war. Hier sieht die INSM besonderen Nachholbedarf. »Wer ökonomisch gebildet ist, trifft die besseren Sparentscheidungen, hat seltener Überschuldungsprobleme und kümmert sich häufiger um die eigene Altersvorsorge«, meinte Pellengahr. Das sei vor allem deshalb wichtig, weil der Zusammenhang zwischen Herkunft und wirtschaftlicher Kompetenz besonders eng sei, sagte Plünnecke. Fehlende Grundbildung auf diesem Gebiet habe zudem für Jugendliche aus »sozioökonomisch schwächeren Haushalten« oft fatale Folgen.
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