Zentralrat der Juden warnt vor Koalitionen mit der AfD

Präsident Schuster: Partei schürt Ängste und fördert Klima der Ausgrenzung

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Vor den Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern hat der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, eine zunehmende Radikalisierung der AfD kritisiert. Die Partei sei seiner Meinung nach »viel enger mit dem Rechtsextremismus verwoben, als sie es nach außen darstellt«, sagte Schuster der »Welt am Sonntag«. Sie schüre Ängste und fördere ein Klima der Ausgrenzung von Minderheiten. Die AfD verbinde antisemitische Vorfälle mit populistischer Propaganda, »um generell gegen Minderheiten zu hetzen, und schürt damit ein Klima letztlich auch gegen Juden«.

Schuster warnte vor der Möglichkeit, dass sich Parteien nach den Wahlen in Sachsen und Brandenburg am 1. September in Minderheitsregierungen von der AfD dulden lassen könnten. Schon eine Minderheitsregierung unter Tolerierung der AfD würde bedeuten, dass die Regierung »bei ihren Entscheidungen immer auch nach rechts schielen müsste, um zu überleben«, sagte er. »Das wäre für mich ein Vorbote dafür, dass eine der demokratischen Parteien über kurz oder lang doch ein Bündnis mit der AfD schließen würde«, sagte Schuster.

Im Falle einer Duldung würde Schuster die Juden in Deutschland nicht zur Auswanderung aufrufen. »Man müsste abwägen, was schlimmer wäre: eine Tolerierung oder die Nichtregierbarkeit bei der Aussicht, dass Neuwahlen vielleicht ein noch problematischeres Ergebnis brächten. Ich warne alle Parteien dringend davor, eine Koalition mit der AfD zu schließen.«

Teile der AfD entwickelten sich nach seinem Eindruck »immer mehr ins Völkische hinein«, sagte der Zentralratspräsident. »Man muss nur die Debatten innerhalb der AfD verfolgen, dann ist zu befürchten: Es wird nicht gemäßigter, eher schlimmer werden.« Bei einigen Teilen der AfD, etwa dem völkisch nationalistischen »Flügel« um den Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke, frage er sich, ob diese den Boden des Grundgesetzes nicht schon verlassen hätten.

Mit Blick auf verschiedene Formen des Judenhasses sagte Schuster, er sehe »nach wie vor im rechtsextremistisch, rechtspopulistischen Antisemitismus die größte Gefahr für dieses Land und die Juden«. Anhand vieler Untersuchungen sei bekannt, dass jeder fünfte Deutsche antijüdische Ressentiments hege. Es handele sich um einen Antijudaismus, der seit Jahrhunderten weitergegeben werde. »Er bedeutet nicht unbedingt, dass derjenige, der diese Vorurteile hat, rechtsextrem ist«, betonte er. »Dennoch begreife ich diesen tradierten Antisemitismus als eine der Vorstufen zum Rechtspopulismus.«

Der Zentralratspräsident sprach sich zudem dafür aus, in KZ-Gedenkstätten auch Führungen in arabischer Sprache anzubieten. In der Gedenkstätte Flossenbürg in Bayern gebe es bereits entsprechende Überlegungen, sagte er: »Dies sollte auf alle KZ-Gedenkstätten ausgeweitet werden.« Agenturen/nd

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.