Abmahnungen bis hin zur Kündigung - privates Internet-Surfen am Arbeitsplatz kann Folgen haben. Gesetzliche Regelungen dazu fehlen bislang. Der DGB forderte gestern ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz.
Hand aufs Herz: Wer checkt nicht auf Arbeit hin und wieder seine privaten E-Mails oder surft im Internet? Viele Arbeitnehmer vergessen, dass auch auf Dienstrechnern eine Datenspur bleibt und damit potenziell die Möglichkeit besteht, Daten über ihr Internetverhalten zu erfassen und weiterzugeben. Zudem kann der Arbeitgeber Beschäftigte, die sich unbeliebt gemacht haben, kontrollieren und Druck ausüben. Eine gesetzliche Regelung zum Arbeitnehmerdatenschutz ist bislang weder aus Brüssel noch aus Berlin in Sicht - obwohl bereits die rot-grüne Koalition entsprechende Absichten in ihren Koalitionsvereinbarungen festgeschrieben hatte. Um die Daten-Grauzone zu beseitigen, macht der DGB Druck und fordert eine gesetzliche Regelung für den Schutz persönlicher Arbeitnehmer-Daten. »Eine Erhebung von Daten über das Internet-Benutzerverhalten muss grundsätzlich untersagt werden«, forderte DGB-Vize Ingrid Sehrbrock gestern in Berlin. So sollen Leistungskontrollen, die sich an der Nutzung von Internet und E-Mail-Verkehr orientieren, verboten werden und zufällig erworbene Informationen nicht zu Lasten des Arbeitnehmers verwendet werden dürfen. Weiterhin sollen Daten nur mit Einverständnis der Betroffenen erhoben werden, es sei denn, sie sind so anonymisiert, dass kein Rückschluss auf die Arbeitnehmer möglich ist oder es besteht ein begründeter Verdacht auf den Besuch zwielichtiger Internet-Seiten oder auf schwere Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten. Laut einer von ver.di in Auftrag gegebenen Studie ist in 60 Prozent von 618 befragten Unternehmen eine private Nutzung des Internets erlaubt, doch nur ein Viertel von ihnen regelt das per Betriebsvereinbarungen, so Bruno Schierbaum von der BTQ Niedersachsen, die die Befragung durchgeführt hat. Arbeitnehmer setzen häufig auf die Kulanz des Arbeitgebers: In 30 Prozent der Firmen wird eine Internetnutzung stillschweigend geduldet, doch wenn es hart auf hart kommt, hagelt es Sanktionen. So wurden bei acht Prozent der Firmen Kündigungen ausgesprochen, bei 18 Prozent Abmahnungen und bei 29 Prozent Ermahnungen. Ein Drittel der befragten Betriebs-, und Personalräte sowie Datenschutzbeauftragten sieht in der unbefugten Kontrolle des Surf- und Mail-Verhaltens sowie der Weitergabe dazu gewonnener Daten das Hauptproblem, so die Studie, die verschiedene Branchen umfasste. Arbeitnehmer haben immerhin die Möglichkeit, sich gegen Datenklau durch den Arbeitgeber zur Wehr zu setzen. Doch schon bei Bewerbungen, also bevor ein Arbeitsvertrag zustande kommt, sind dem Missbrauch von persönlichen Daten Tür und Tor geöffnet. Die Ergebnisse der Befragung sind dabei Besorgnis erregend: In 90 Prozent der Betriebe ist die Erhebung von Bewerberdaten nicht in Betriebsvereinbarungen geregelt - das heißt, Betriebs- oder Personalrat sind nicht beteiligt. Und weil sie unbedingt einen Job wollen, lassen sich viele Bewerber auf Sachen ein, die sie nicht dulden müssen: Ärztliche Untersuchungen vor Vertragsabschluss gab es bei 54 Prozent der befragten Unternehmen, zudem unzulässige Fragen nach Familienstand, Vorstrafen, Schwangerschaft, Partei- und Gewerkschaftszugehörigkeit. Ein Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz müsse demzufolge auch die Bewerber berücksichtigen, so Schierbaum.
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