• Berlin
  • Volksinitiative Klimanotstand

Rückenwind für den Klimaschutz

Eine Volksinitiative sammelte in nur drei Monaten 43.000 Unterschriften

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 4 Min.

Fotografieren lassen wollte sich Ralf Wieland, Präsident des Abgeordnetenhauses, dann doch nicht zusammen mit den Aktivist*innen der Volksinitiative Klimanotstand Berlin. Er sei als »neutraler Verwalter« hier und werde, wie sonst auch bei solchen Anliegen, die Unterschriften der Aktivist*innen entgegen nehmen, betonte Wieland, während die Aktivist*innen im Foyer des Abgeordnetenhaus gerade kräftig jubeln.

Etwa 50 von ihnen waren am Dienstag um 12.05 Uhr - fünf nach zwölf - im Abgeordnetenhaus in der Niederkirchnerstraße erschienen, um die bis dahin gesammelten 43 522 Unterschriften von Berliner*innen zu überreichen, die sich für die Ausrufung eines Klimanotstands in Berlin aussprechen.

Für eine Volksinitiative als Massenpetition sind mindestens 20 000 gültige Unterschriften nötig. »Dass es jetzt so viel mehr sind, mehr als doppelt so viele wie nötig, damit haben wir wirklich nicht gerechnet«, freut sich Rabea Koss von der Initiative nach der Übergabe der Unterschriften. Nur knapp drei Monate haben die Aktivist*innen um den Initiator Marko Dörre gebraucht, um die über 43 000 Unterschriften zu sammeln. »Berlin versagt bei der Umsetzung seiner Klimaschutzziele und beim Monitoring der CO2-Emissionen«, hatte Dörre im Mai zum Start der Unterschriftensammlung gesagt.

Die Übergabe der Unterschriften fiel nicht zufällig auf den Tag, an dem sich Greta Thunberg vor einem Jahr zum ersten Mal vor das Schwedische Parlament gesetzt hat, um dort ihren Schulstreik für das Klima zu beginnen. Sie habe damit eine »Zeitenwende im Klimaaktivismus« eingeläutet, findet der Rechtsanwalt Marko Dörre, auf der Pressekonferenz vor der Übergabe.

Mehr als 900 Kommunen, Städte und Staaten weltweit haben sich bereits zum Klimanotstand bekannt. Zuletzt hatte vor wenigen Tagen die Brandenburger Landeshauptstadt Potsdam diesen ausgerufen. Mehr Radverkehr, besserer Grünschutz und eine klimaneutrale Energieversorgung seien nur einige Maßnahmen, die den klimapolitischen Wandel voranbringen sollen. Auch in Potsdam sammelt eine Volksinitiative dennoch weiter Stimmen, um das Thema auf der politischen Agenda zu halten.

Für Berlin müsse, so die Initiative, die Ausrufung des Klimanotstands damit verbunden sein, umgehend die Treibhausgasemissionen der Stadt zu senken, und das drastisch. »Berlin muss bis zum Jahr 2030 eine klimaneutrale Stadt sein und dafür seine Treibhausgasemissionen auf Nettonull senken«, sagt Markus Dörre. Und das nur, um die Pariser Klimaschutzziele umzusetzen und die Erderhitzung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, so Dörre. Zwar sei in der gültigen rot-rot-grünen Koalitionsvereinbarung der Klimaschutz als zentrales Vorhaben verankert und die ambitionierte Umsetzung des Pariser Klimaabkommens festgeschrieben. Aber die aktuelle Planung in Berlin sehe lediglich eine Emissionsreduzierung um 95 Prozent bis zum Jahr 2050 vor. Dies sei, sagt der Rechtsanwalt, einfach »zwanzig Jahre komplett zu spät«. Auch die 60 Prozent Reduktion bis 2020 würden nicht reichen. Dazu würden die Zahlen zur Emissionsreduzierung aus den letzten zwei Jahren fehlen - »wir befinden uns in Berlin komplett im Blindflug«, so Dörre.

Bei konkreten Forderungen blieb die Initiative bisher zurückhaltend. So heißt es, Berlin solle seine Partner im Städtetag und im Bundestag alarmieren und die Öffentlichkeit ständig informieren, wie der Ausstoß der Treibhausgase reduziert wird. Die Regierung sei aufgefordert, »mit Experten in allen Bereichen sinnvolle Maßnahmen zu erarbeiten«. Dazu müssten auch offizielle Vertrauenspersonen der Volksinitiative in Ausschüssen im Berliner Abgeordnetenhaus gehört werden. Diese sind zur Zeit Luisa Neubauer von Fridays for Future, Luise Neumann-Cosel von BürgerEnergieBerlin und Campact, Jana Söller von Extinction Rebellion, Milena Glimbovski von Original Unverpackt und Moritz Ellenberg von Klimanotstand Berlin.

Politiker*innen verschiedener Parteien äußerten sich positiv zu Anzahl und Übergabe der Unterschriften. Georg Kössler, für die Grünen-Fraktion Mitglied im Abgeordnetenhaus, kommentierte, die 43 522 Unterschriften würden zeigen, »dass Klimaschutz auch für die Berlinerinnen und Berliner ein zentrales Thema ist«. Es brauche ein »Klima-Controlling für alle Politikfelder«. Klimaschutzziele müssten »nachgeschärft« werden, so Kössler.

Auch Michael Efler, Sprecher für Energie und Klimaschutz der Linksfraktion, begrüßte den mit der Volksinitiative verbundenen »Rückenwind für ein entschlossenes Handeln zur Überwindung der Klimakrise«. Am Dienstagnachmittag wollte sich die LINKE in ihrer Fraktionssitzung mit konkreten Vorschlägen befassen. Ein Papier, so Efler, liegt bereits vor.

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