- Politik
- George Pell
Ehemaliger Vatikan-Finanzchef bleibt in Haft
Australischer Kardinal scheitert in Berufungsverfahren / Gefängnisstrafe wegen sexuellem Missbrauch Minderjähriger
Melbourne. Der ehemalige Finanzchef des Vatikans, Kardinal George Pell, muss wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen im Gefängnis bleiben. Der Oberste Gerichtshof im australischen Melbourne bestätigte am Mittwoch seine Verurteilung zu sechs Jahren Haft aus erster Instanz. Damit kann der 78-Jährige frühestens im Oktober 2022 aus der Haft entlassen werden.
Pell hatte auf Freispruch gehofft. Die Vorwürfe weist er seit jeher zurück. Das Urteil nahm er ohne große Regung auf. In einer schriftlichen Stellungnahme ließ der Kardinal anschließend erklären, er sei »offensichtlich enttäuscht«. Zugleich bekräftigte er, dass er unschuldig sei.
Als Finanzchef war Pell unter Papst Franziskus jahrelang praktisch die Nummer drei in der Hierarchie des katholischen Kirchenstaats. Wegen der Missbrauchsvorwürfe ließ er das Amt dann jedoch ruhen und kehrte aus Rom nach Australien zurück. Schließlich wurde er im März als ranghöchster Geistlicher in der Geschichte der katholischen Kirche wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilt. Das Urteil des Geschworenengerichts erging einstimmig.
Die Vorwürfe reichen in die Jahre 1996/97 zurück, als Pell gerade Erzbischof von Australiens zweitgrößter Stadt Melbourne geworden war. Nach einem Gottesdienst in der St-Patrick's-Kathedrale soll er sich an zwei Chorknaben vergangen haben, die erst 13 Jahre alt waren. Einen der Jungen zwang er demnach zum Oralsex. Zudem soll ihn Pell später abermals bedrängt haben. Von den Jungen lebt nur noch einer. Der 35-Jährige war im Prozess der entscheidende Belastungszeuge.
Pell wollte dieses Urteil nun mit Verweis auf Verfahrensfehler aufheben lassen. Zudem argumentierte die Verteidigung, dass es dem Geistlichen schon wegen der Bischofsgewänder unmöglich gewesen wäre, die Jungen in so kurzer Zeit zu missbrauchen. Der Supreme Court - das höchste Gericht des Bundesstaats Victoria - sah dies jedoch anders. Die drei Berufsrichter lehnten die Berufung ab. Die Entscheidung erging mit einer Mehrheit von 2:1.
Der Fall ist in Australien und darüber hinaus seit jeher umstritten. Pells Fürsprecher behaupten, dass der prominente Kardinal zum Sündenbock für die Missbrauchsskandale der katholischen Kirche insgesamt gemacht werden solle. Ein erster Prozess in Australien war geplatzt, weil sich die Geschworenen nicht einigen konnten. Die Vorsitzende Richterin des Supreme Court, Anne Ferguson, meinte: »Man kann sagen, dass dieser Fall die Gemeinschaft geteilt hat.« Die Richterin wies jedoch Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen zurück. Der Mann habe im Prozess stets gewirkt »wie jemand, der die Wahrheit sagt«.
Wahrscheinlich ist nun, dass Pell vor Australiens oberstes Gericht zieht, den High Court. Der Vatikan hatte nach dem Urteil im März angekündigt, abwarten zu wollen, bevor er über weitere Konsequenzen entscheidet. Der Supreme Court bestätigte auch die Entscheidung, dass Pell frühestens in drei Jahren eine vorzeitige Haftentlassung beantragen kann. dpa/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.