Hart, härter, Mietendeckel

Entwurf zu Gesetzesvorschlag ist deutlich konsequenter als erwartet

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Maximal knapp unter acht Euro pro Quadratmeter nettokalt sollen Mieter in Berlin zahlen, wenn sie in einem vor 2014 gebauten Haus wohnen. Das geht aus einem internen Papier der Stadtentwicklungsverwaltung zum Mietendeckel hervor, dessen Inhalte am Samstagabend von mehreren Medien verbreitet wurden und das »nd« vorliegt. Für den Großteil der Mieter in der Hauptstadt würde es demnach auf eine Quadratmetermiete um die sechs Euro hinauslaufen, Ausnahme sind Häuser im Westteil der Stadt, ab dem Baujahr 1973 und in Gesamtberlin ab dem Baujahr 1991. Dort lägen die Mieten zwischen 7,24 und 7,97 Euro. Diese Obergrenzen sollen auch für möblierte Wohnungen gelten, hohe Zuschläge dafür nicht mehr zulässig sein. Laut dem Papier, das am 16. August verfasst wurde, sollen für Modernisierungen, die in den letzten acht Jahren vor Inkrafttreten eines Mietendeckels erfolgten, definierte Zuschläge pro Quadratmeter ohne Genehmigungsverfahren verlangt werden dürfen, wenn die definierten Mietoberwerte um nicht mehr als 20 Prozent überschritten werden.

Neu ist auch, dass Kündigungen wegen Eigenbedarfs durch die Bezirksämter genehmigt werden müssen. Diese »kann nur erteilt werden, wenn im Einzelfall das berechtigte Interesse der Vermieter das öffentliche Interesse an der Erhaltung angemessenen Wohnraums überwiegt«, heißt es in dem vierseitigen Schreiben. Wie bereits im Eckpunktepapier des Senats vom Juni angekündigt, sollen demnach die Mieten für fünf Jahre eingefroren werden, und bei Wiedervermietung darf die Miete nicht steigen. Außerdem können Mieter die Absenkung einer überhöhten Miete beantragen.

Die Liberalen schäumen. »Die Einführung dieses Mietendeckels würde nichts anderes als Enteignung bedeuten. Wenn die Wirtschaftlichkeit von Wohnungen überhaupt nicht mehr gilt, dann endet Berlin wie einst Lissabon - dort ließ ein ähnlicher Mietendeckel schließlich fast die halbe Stadt verrotten«, erklärte FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja.

»Der Ausgangspunkt der Berechnungen ist ähnlich wie beim Berliner Mieterverein, da gab es keinen Aufschrei«, sagt LINKE-Wohnungspolitikerin Gaby Gottwald zu »nd«. Beide Berechnungen der Mietobergrenzen basieren auf dem Berliner Mietspiegel von 2011, an dem zuletzt von einem sogenannten ausgeglichenen Wohnungsmarkt ausgegangen werden konnte. Der Mieterverein, der seinen Vorschlag im Juli präsentierte, errechnete etwas höhere Mietobergrenzen, da er auf die Werte von 2011 die allgemeine Teuerung aufgeschlagen hatte, die Stadtentwicklungsverwaltung orientierte sich bei ihrer Berechnung an der geringer ausgefallenen Einkommensentwicklung. »Die Mietobergrenzen der Verwaltung sind keineswegs willkürlich, sie basieren auf einer klaren Systematik«, erklärt Gottwald. »Und zumutbar sind die Regelungen auch, schließlich gelten sie nur für fünf Jahre«, so die Politikerin.

Gottwald verweist allerdings auch auf den Umstand, dass das über eine Woche alte Papier nicht mehr den aktuellen Stand der Diskussion in der rot-rot-grünen Koalition abbilde. »Die Sache ist im Fluss«, sagt sie. Tatsächlich gab es zuletzt am Freitagvormittag ein Gespräch der Fachpolitiker dazu.

»Es ist schädlich für das ganze Projekt Mietendeckel, dass immer wieder Entwürfe in der Presse diskutiert werden, bevor wir in der Koalition Wege gefunden haben«, sagt Katrin Schmidberger, Mietenexpertin der Grünen-Fraktion, zu »nd«. »Der Mietendeckel ist kein wohnungspolitisches Wünsch-Dir-was, sondern rechtlich ein schmaler Grat. Wir wollen alle, dass er rechtssicher ausgestaltet werden kann«, so die Politikerin weiter. Die Koalition warte unter anderem noch auf Abschätzungen zu den Folgen für die Wohnungswirtschaft und weitere Rechtsgutachten. Auch die SPD äußerte sich skeptisch zu dem Entwurf.

Der Plan, die Mieten für fünf Jahre komplett einzufrieren, hat auch bei Genossenschaften für Aufruhr gesorgt. Nicht wenige, vor allem kleinere unter ihnen, fürchten, in Liquiditätsschwierigkeiten zu kommen. Der Berliner Mieterverein sieht in seinem Vorschlag eine Mieterhöhungsmöglichkeit von 1,5 Prozent pro Jahr vor. »Wenn für fünf Jahre die Mieten eingefroren werden, dann hat Berlin danach keinen gültigen Mietspiegel mehr. Dann werden Vermieter wieder mit Vergleichswohnungen ankommen, wie wir es bei der Deutsche Wohnen schon mehrfach erlebt haben«, sagte dessen Geschäftsführer Reiner Wild erst vergangene Woche zu »nd«. Zweifel werden auch innerhalb der Koalition an der Absenkung aller Bestandsmieten geäußert, möglicherweise könnte dies nur auf Fälle drastischer Überhöhungen hinauslaufen.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Plänen eines Landes-Mietendeckels in einem kürzlichen Urteil

(Aktenzeichen 1 BvL 1/18 ) zur Mietpreisbremse des Bundes Rückenwind verschafft. »Das Urteil vom 18. Juli ist wie eine indirekte Aufforderung, alles erdenkliche zu machen, damit das Recht auf Wohnen in der Innenstadt durchgesetzt werden kann«, erklärt Gaby Gottwald.

»Auf dem sozialpolitisch umstrittenen Gebiet des Mietrechts müssen Vermieterinnen und Vermieter aber mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen und können nicht auf den Fortbestand einer ihnen günstigen Rechtslage vertrauen«, schreiben die Richter des Bundesverfassungsgerichts im Urteil. »Ihr Vertrauen, mit der Wohnung höchstmögliche Mieteinkünfte erzielen zu können, wird durch die Eigentumsgarantie nicht geschützt, weil ein solches Interesse seinerseits vom grundrechtlich geschützten Eigentum nicht umfasst ist«, schreiben die Richter weiter.

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