- Politik
- Asylpolitik
Knapp an der Abschiebung vorbei
Trotz Ausbildungsplatz sollte ein junger Afghane zurück. Andere haben weniger Glück
Mustafa M. wollte im September seine Ausbildung zum Parkettleger beginnen. Deutschkurse hatte er absolviert. Sich, so seine deutsche Partnerin in einem Facebook-Aufruf, im Alpenverein engagiert. In der Nähe von Augsburg lebt Mustafa M. seit 2013. Dann nahm die bayerische Polizei ihn vergangenen Freitag in Abschiebehaft.
Der Asylantrag des 21-Jährigen war schon vor einer Weile abgelehnt worden. Aber sein Antrag bei der Härtefallkommission, den man stellen kann, wenn man abgelehnt wurde, aber bereits längere Zeit in Deutschland lebt und sich gut integriert hat, war noch nicht entschieden worden. Bis Montag Nachmittag war es nicht klar, ob Mustafa M. nach Afghanistan abgeschoben werden würde. Dann entließ ihn die Polizei aus der Abschiebehaft. »Er wird wohl nicht morgen abgeschoben, das bedeutet aber nicht, dass er nicht im nächsten Monat abgeschoben wird«, sagte seine Anwältin Myrsini Laaser am Montag dem »nd«.
Für Mustafa M. war es knapp. An diesem Dienstag startet nämlich ein Sammelabschiebeflug nach Kabul, der Hauptstadt Afghanistans. Abgelehnte Geflüchtete aus dem Land sollen laut einem Mitarbeiter des afghanischen Flüchtlingsministeriums am Mittwochmorgen in Kabul ankommen. Es wäre der 27. Abschiebeflug von Deutschland aus in das unsichere Land seit dem Abheben der ersten Maschine im Dezember 2016.
Ob Mustafa M. mit an Bord hätte sitzen sollen, war zunächst unklar. Seine Anwältin hatte dies vermutet. Das sei ihr zwar nicht von den Ausländerbehörden bestätigt worden, aber »an der Länge der angeordneten Abschiebehaft« zu erkennen gewesen.
Oliver Platzer, Pressesprecher des bayerischen Ministeriums für Inneres und Integration wollte sich auf »nd«-Anfrage, die vor Bekanntgabe der Freilassung M.s gestellt wurde, nicht dazu äußern, aus welchen asylrechtlichen Gründen Mustafa M. abgeschoben werden sollte. Vor »geplanten Abschiebungen« könnten »grundsätzlich keine Aussagen« gemacht werden und »keine konkreten Details genannt werden, schon alleine um die entsprechenden Maßnahmen und den Einsatz der Polizei nicht zu gefährden«. Würden die »Abschiebungstermine oder entsprechende Maßnahmen im Vorfeld bekannt oder gestreut, tauchen mehr Personen vor dem Abschiebungstermin ab«, so der Sprecher.
Cemal Bozoglu, grüner Abgeordneter im bayerischen Landtag und Bürgerbeauftragter für Asyl und Migration, kritisierte die Asylpolitik des Freistaats: »Bayern geht sehr hart vor bei der Abschiebung nach Afghanistan. Anders als andere Bundesländer, trotz der Sicherheitslage in dem Land«, sagte er dem »nd«. Immer wieder kommt es in dem Land zu Terroranschlägen der radikalislamischen Taliban und Al Kaida mit vielen Todesopfern.
Mustafa M.s Fall ist nicht nur wegen Sicherheitsaspekten brisant, sondern auch wegen seiner bevorstehenden Ausbildung. Erst vergangene Woche rühmte sich das bayerische Innenministerium in einer Pressemitteilung damit, viel dafür zu tun, Geflüchtete und Migranten in Arbeit zu bringen. Bayern sei »Spitzenreiter« der Bundesländer bei der Erwerbstätigenquote von Menschen mit Migrationshintergrund.
Mustafa M.s Fall wird nun wohl in der Härtekommission oder im Petitionsausschuss entschieden, vermutete Bozoglu. »Er gehört zu denen, die sehr gut integriert sind«, sagte er über den jungen Mann aus der Provinz Lugar im Osten Afghanistans. Der Grünenpolitiker hatte sich mit Parteikolleg*innen dafür eingesetzt, die Abschiebung M.s zu verhindern.
Zudem hatte die Partnerin von Mustafa M. einen Aufruf auf Facebook gestartet, sich an den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und andere Zuständige zu wenden und für ein Bleiberecht für Mustafa M. zu plädieren.
Gegen den Abschiebeflug, in dem dennoch viele seiner Landsleute sitzen werden, wollten Menschen am Montagnachmittag in Leipzig protestieren. Am Frankfurter Flughafen, von wo aus das Flugzeug nach Angaben der Initiative Afghan Refugees Movement am Dienstag um 18 Uhr starten soll, sind ebenfalls Proteste geplant.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.